Blick auf einen Felssporn im Meer, auf dem eine Kirche und Teile der Altstadt von Vieste zu sehen sind.

Der vollbesetzte Autobus quält sich die Serpentinen am Rande des Foresta Umbra empor. Auf der einen Seite erstrecken sich üppige bewaldete Berge, auf der anderen Seite geht es steil hinab. Dahinter glitzert das blaue Meer. Obwohl der moderne Bus angenehm klimatisiert ist, steht mir die eine oder andere Schweißperle auf der Stirn, wenn uns plötzlich Autos entgegenkommen. Sie haben deutlich mehr Speed drauf, als für mich noch komfortabel ist. Aber unser Busfahrer, der diese Serpentinen wahrscheinlich schon Tausende Male bewältigt hat, bleibt ganz cool. Und er bringt uns routiniert und sicher an unser Ziel: Vieste.

Die Altstadt von Vieste auf den Klippen über den Meer
Die Altstadt von Vieste ist direkt auf die Klippen am Meer gebaut.

Anreise und Highlights

Das Städtchen Vieste liegt an der Adriaküste von Italien, in der Region Apulien (ital. Puglia). Sie ist Teil des schönen Gargano-Vorgebirges. Vieste hat nicht einmal 14.000 Einwohner, aber allein im Jahr 2023 haben über 300.000 Touristen die Stadt besucht. Das ist zwar nicht wenig, insbesondere da sich die Touristensaison auf die Monate Juni bis September konzentriert, aber im Vergleich zu anderen bekannten Destinationen in Italien ist Vieste vor allem bei ausländischen Touristen doch noch eher ein Geheimtipp.

Das liegt vielleicht auch daran, dass Vieste recht weit ab vom Schuss liegt, was die Anreise vergleichsweise umständlich macht. Doch so viel sei schon mal gesagt: Es lohnt sich! Geschichtsfans kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Naturliebhaber oder Sportler – was sich ja nicht unbedingt ausschließen muss.

Blick von oben auf Restauranttische und Lichterketten an der alten Stadtmauer von Vieste
Wenn das Tageslicht langsam schwindet, zeigt sich die Schönheit von Vieste noch mal in einem anderen Licht.

Die Stadt ist unterteilt in die Altstadt und einen modernen Teil. Einen großen Teil der Hotels und Unterkünfte sowie die meisten Strände findet man im modernen Teil, aber das ästhetische Highlight ist die mittelalterliche Altstadt in Kombination mit dem tiefblauen, fast türkisen Meer und den hellen Kalksteinfelsen. Vieste ist allerdings so klein, dass man sich zu Fuß bequem in der ganzen Stadt bewegen kann. Wer nicht laufen kann oder will, kann auch auf den Bus ausweichen.

Blick auf die Bucht des modernen Vieste bei Nacht
Vieste bei Nacht: Hier sieht man einen Teil der Altstadt und den modernen Teil der Stadt.

Instagram vs. Reality – mit diesem Gap haben wir bestimmt alle schon Erfahrungen gemacht. Gemeint ist das Phänomen, dass ein Ort auf Fotos total spektakulär aussieht, und wenn man dann vor Ort ist, denkt man sich: „Das hatte ich mir irgendwie spektakulärer vorgestellt.“ Bei Vieste habe ich aber genau das Gegenteil erlebt. Der Blick auf die historische Altstadt auf dem langgezogenen Felssporn, über den sich die Stadt ins Meer erstreckt, ist in natura genauso hübsch wie auf den Bildern, die ich vor meiner Reise gesehen habe.

Eine kurze Geschichte von Vieste

Dass sich hier ein wunderschönes Fleckchen Erde befindet, auf dem es sich gut leben lässt, wussten die Menschen spätestens seit der Bronzezeit, denn aus dieser Epoche stammen die ältesten nachweisbaren menschlichen Besiedlungsspuren rund um Vieste. Allerdings haben die Archäologen bei Ausgrabungen auch eine Feuersteinmine und Spitzhacken aus der Jungsteinzeit gefunden. Wahrscheinlich war die Region bereits um 6.000 v.Chr. besiedelt. Weitere Ausgrabungen brachten hellenistische Gräber und Heiligtümer sowie Kultgegenstände aus dem 4. und 3. vorchristlichen Jahrhundert und aus frührömischer Zeit (2./1. Jh. v.Chr.) zu Tage.

Stein-Spitzhacken und andere Stein-Werkzeuge aus dem Neolithikum in einer Vitrine
Diese Stein-Spitzhacken und andere Stein-Werkzeuge waren eines der Zeugnisse für menschliche Aktivität während des Neolithikums.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit lebten die Viestani vor allem vom Fischfang. Vieste war ein Fischerdörfchen wie es viele an der Gargano-Küste gab. Heute ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt. Aber nun gehen wir endlich in „medias res“: Was gibt es hier anzuschauen und wo kannst du die Geschichte der Stadt erleben?

Die mittelalterliche Altstadt von Vieste

Bekannt ist Vieste vor allem für seine pittoreske mittelalterliche Altstadt mit ihren engen Gässchen. Für den Anfang würde ich empfehlen, sich einfach ein wenig durch die Gässchen treiben zu lassen, mal links und mal rechts abzubiegen und einfach den Vibe des Städtchens zu spüren. Wie in vielen mittelalterlichen Städten gibt es hier keine rechtwinkligen Straßenzüge, alles ist irgendwie völlig verwinkelt und ich wusste trotz meines eigentlich ganz guten Orientierungssinns auch nach mehreren Tagen im Gassengewirr meist nicht so genau, wo ich mich gerade befand.

Eine Frau fotografiert einen Mann, der unter einem steinernen Bogen in der Altstadt von Vieste steht, hinter ihm ist eine Gasse zu sehen.
Blick in eine Gasse in der Altstadt von Vieste: ein schönes Fotomotiv!

Das ist aber gar nicht schlimm, denn die Altstadt ist zu klein, um sich hier ernsthaft verlaufen zu können. Irgendwann kommt man immer irgendwo raus, wo man sich dann wieder orientieren kann und den Weg zurückfindet. Du bist eher strukturiert und möchtest lieber mit Plan vorgehen? Kein Problem, dann steuere am besten als erstes die Tourist-Info auf der Piazza Kennedy an und hol dir eine kostenlose Karte.

In den Gassen finden sich zahlreiche einladende Restaurants, Geschäfte mit regionalen Produkten und, ja, auch den obligatorischen Souvenir-Lädchen, die den üblichen Kitsch made in China verkauft, den man dann in der Urlaubsstimmung doch wider besseren Wissens immer wieder kauft. 😀 Als Mitbringsel für die Lieben daheim oder auch für dich selbst, kannst du aber auch hochwertige regional gefertigte Keramik oder ebenfalls regional produziertes Olivenöl oder Gewürze kaufen, die man hier ebenfalls bekommt. Apulien ist eine sehr stark landwirtschaftlich geprägte Region. Schon auf dem Weg nach Vieste passierten wir kilometerlange Salinen und unzählige Olivenhaine.

Ein Holztisch, auf dem mehrere Körbe stehen, in denen Tütchen mit Gewürzen und Kräutern sind, davor ein handbemaltes Schild mit der Aufschrift "Spezie e Aromi del Gargano"
Regionale Produkte aus dem Gargano sind ein gutes Mitbringsel und überall in Vieste erhältlich.

Die Stadt ist auf einem Hügel gebaut, daher gibt es in der Altstadt viele Treppen und häufig geht es bergauf. Man sollte also halbwegs gut zu Fuß sein, wobei es auch immer wieder Möglichkeiten gibt, unterwegs ausruhen. So finden sich hier viele nette Restaurants in teils lauschiger Atmosphäre oder mit grandiosem Ausblick. Vor allem gegen Abend, wenn es langsam dunkel wird, sollte man unbedingt mal die Treppe an der Stadtmauer hochklettern. Hier finden sich ebenfalls Restaurants, in denen man in wirklich stimmungsvoll sitzen und mit einem tollen Blick speisen kann.

Judeca

An wichtigen Punkten in der Altstadt finden sich Infotafeln in Italienisch und Englisch, so auch im ehemaligen jüdischen Stadtbezirk, der wohl seit dem 10. Jahrhundert existierte. Im 13. Jahrhundert wuchs die jüdische Bevölkerung stark an, da ein Erdbeben in der Nähe einen großen Kalksteinfelsen ins Meer stürzen ließ und die Siedlung Siponto zerstörte.

Die Überlebenden jüdischen Glaubens zog es vor allem nach Vieste, wo eine lebendige jüdische Gemeinde entstand, die vor allem von der Fleisch- und Käseproduktion sowie Leder- und Wollhandel lebte. Während eines Erdbebens 1646 gab es große Zerstörungen im jüdischen Viertel und es begann danach, sich zu verändern. Es wurde in den Stadtbezirk San Giorgio eingegliedert und umgebaut. Heute ist es eines der beliebtesten Fotomotive in der Stadt.

Blick von unten auf den steinernen Bogen in der Judeca
Blick in den Himmel von der Judeca aus

Cattedrale Santa Maria Assunta

Eine von zwei Kirchen, die auf jeden Fall einen Blick wert sind, ist die Cattedrale Santa Maria Assunta. Vieste war lange Zeit auch Bischofssitz. Die ursprüngliche Kirche wurde wohl um das Jahr 1.000 herum erbaut, um 1240 aber durch Plünderungen und Erdbeben stark beschädigt und im Anschluss wohl durch den staufischen Kaiser Friedrich II. restauriert. 200 Jahre später wiederholte sich die Geschichte: Beschädigung durch Erdbeben sowie diesmal durch Sarazenen-Überfälle. Beim Erdbeben 1646, das auch das jüdische Viertel verwüstete, stürzte der Westteil ein. Weitere heftige Erdbeben im 17. und 18. Jahrhundert richteten weitere Schäden an und ließen unter anderem den Glockenturm einstürzen.

Die Viestani waren aber nicht bereit, ihre Kathedrale aufzugeben und bauten sie beharrlich immer wieder auf. Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche modernisiert und auch besser gegen Erdbeben gesichert, was in dieser seismisch sehr aktiven Region dringend Not tat. Weitere Erdbeben im 20. Jahrhundert führten zu statischen Restaurierungen und Umbauten. Der Glockenturm ist seit den 1980er Jahren baulich von der Kathedrale getrennt. Seit Vieste 1818 den Bischofssitz an die nahegelegene Stadt Manfredonia verlor, hat sie genau genommen nur den Status einer Konkathedrale.

Castello Svevo

Von der Kathedrale sind es nur noch ein paar Meter hinauf zum Castello Svevo, das über der Stadt thront und im Mittelalter eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Stadt spielte. So malerisch und zauberhaft die Lage der Stadt direkt am türkisblauen Meer heute auf uns wirkt: In früheren Zeiten barg diese exponierte Lage auch die Gefahr, von der Seeseite angegriffen zu werden, und dies geschah auch immer wieder. So wurde Vieste zum Beispiel 1240 im Zuge des Streits zwischen dem Papst und Kaiser Friedrich II. von den Veneziern angegriffen. Dabei wurde auch das Castello stark beschädigt und anschließend durch Friedrich II. wiederaufgebaut.

Blick auf die dicken Mauern des Castello Svevo in Vieste
Diese dicken Mauern konnten schon einiges aushalten…

Im 15. und 16. Jahrhundert wurde Vieste mehrfach von türkischen Schiffen angegriffen. Beim bereits erwähnten Erdbeben von 1646 stürzten große Teile der Festung ein. Und selbst im Ersten Weltkrieg musste sie noch einige Treffer einstecken, als sie im Mai 1915, kurz nach dem Kriegseintritt Italiens, von einem österreichischen Zerstörer beschossen wurde. Die anschließende Seeschlacht zwischen Italien und Österreich, die nur wenige Meilen vor der Küste von Vieste stattfand, entschied am Ende Österreich für sich.

Blick auf das Castello Svevo in Vieste - eine alte Festung aus dem 11. Jh.
Das Castello Svevo ist weitgehend intakt.

Das Castello Svevo stammt ursprünglich aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und ist damit normannisch. Es hat einen dreieckigen Grundriss, wobei die drei Ecken mit lanzenförmigen Bastionen verstärkt sind. An der Südseite finden sich Wohnräume, eine kleine Kapelle und eine Bastion aus dem 16. Jahrhundert. Von innen besichtigen kann man die Festung zumindest regulär leider nicht: Sie ist bis heute militärisches Sperrgebiet und wird inzwischen von der italienischen Marine als Radarstation genutzt. Manchmal finden aber in Teilen der Festung Kunstausstellungen statt – wenn du das Castello Svevo also gern auch von innen sehen möchtest, ist dies die einzige Möglichkeit.

Blick auf eine spitz zulaufende Bastion des Castello Svevo in Vieste
Das Castello Svevo mit seiner lanzenförmigen Bastion

Chianca Amara

Vieste war nicht nur Angriffen von regulären militärischen Einheiten ausgesetzt, sondern zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert auch immer wieder Piratenüberfällen. Den traurigen Tiefpunkt bildete dabei ein Ereignis aus dem Juli 1556, als der türkische Pirat Dragut Rais mit einer riesigen Flotte aus 70 Schiffen vor der Küste von Vieste landete. Zunächst hielt die Verteidigung der Stadt. Etwa eine Woche lang konnten die Viestani den Angreifern standhalten. Fast 1000 Kanonenkugeln sollen in diesen Tagen in der Stadtmauer eingeschlagen sein.

Blick auf eine Altstadtgasse in Vieste, in der Mitte ist der überbaute Felsen Chianca Amara zu sehen.
Der Felsen Chianca Amara – er ist mit einem Gebäude überbaut.

Schließlich fanden die Piraten aber doch den Weg in die Stadt – traurigerweise mit Hilfe eines einheimischen Verräters. Vielleicht hätte er es sich noch einmal anders überlegt, wenn er geahnt hätte, welche Katastrophe mit seinem Verrat über die Stadt hereinbrach. Denn die Piraten begnügten sich nicht damit, die Stadt auszurauben und Beute zu machen. Sie richteten, vielleicht aus Wut über die lange Dauer der Belagerung, ein unvorstellbares Blutbad unter den Einwohnern an.

Die jungen und kräftigen Männer wurden als Sklaven gefangen genommen. Mädchen und junge Frauen wurden vergewaltigt und dann entweder auch versklavt oder zusammen mit den Kindern und den Alten zu einem Felsen gebracht, der heute den Namen Chianca Amara trägt. Dort wurden sie allesamt enthauptet. Etwa 5.000 Bürger aus Vieste sollen bei diesem Massaker ums Leben gekommen sein. Der Felsen ist heute zwar bebaut, aber eine Tafel erinnert an das furchtbare Ereignis aus dem Sommer 1556.

Blick auf einen Felssporn im Meer, auf dem eine Kirche und Teile der Altstadt von Vieste zu sehen sind.
Die Punta San Francesco mit der gleichnamigen Kirche

Punta San Francesco

Nach dieser traurigen Geschichte ist es Zeit für ein wenig Ablenkung. Die Punta San Francesco markiert das Ende der Halbinsel, auf dem sich die Altstadt von Vieste erstreckt und ist auf jeden Fall Pflicht bei der Erkundung der Altstadt. Ursprünglich befand sich hier seit 1438 ein Komplex aus Kloster und Kirche, der von einem wohlhabenden Ehepaar aus Vieste gestiftet wurde. Irgendwann zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert wurde beides zerstört, vielleicht durch eines der vielen Erdbeben, vielleicht aber auch bei einem der Überfälle – so genau weiß man das heute nicht mehr.

Blick auf die Kirche San Francesco in Vieste aus hellem Stein, und etwas abgeblättertem Putz
Die Chiesa San Francesco hat schon ein wenig Patina.

Auf den Ruinen entstand im 17. Jahrhundert die heutige Chiesa di San Francesco – die zweite sehenswerte Kirche in Vieste -, die äußerlich schon etwas Patina aufweist, aber für mich ein wunderbares mediterranes Flair verströmte und ein tolles Fotomotiv ist – nicht nur wegen ihrer kunstvollen Türverzierungen. Die Punta San Francesco ist aber auch ein schöner Aussichtspunkt, denn von hier sieht man auch den Leuchtturm von Vieste richtig gut.

Außerdem steht man hier gewissermaßen zwischen den Welten: Vor dir und auf der einen Seite neben dir erstreckt sich die Altstadt, aber auf der anderen Seite erhebt sich das moderne Vieste.

Museo Civico Archeologico M. Petrone

Apropos alt: Die Vor- und Frühgeschichte von Vieste lässt sich gut im kleinen archäologischen Museum am Rande der Altstadt nachvollziehen. Das Museo Civico Archeologico befindet sich einem ehemaligen Kapuzinerkloster und ist allein wegen der schönen Klosterarchitektur eigentlich schon einen Besuch wert.

Das Museo Archeologico M. Petrone in Vieste von außen
Das Museo Archeologico M. Petrone in Vieste – unverkennbar ein früheres Kloster

Die Ausstellung ist im ehemaligen Kreuzgang und in einigen Räumen im 1. Obergeschoss untergebracht. Zu sehen sind die bereits erwähnten Funde aus den Ausgrabungen, die vor allem in den 1980er Jahren stattgefunden haben. Eine jüngere Grabung aus dem Jahr 2006 findet aber auch ihren Platz: Hier wurde ein Halbkammergrab mit einer besonders reichen Ausstattung gefunden, das in der Ausstellung als „Grab des Adligen“ bezeichnet wird.

Vitrine mit antiken Amphoren im Museo Archeologico M. Petrone in Vieste, an der Wand dahinter Fotografien
In dieser Vitrine sind die Funde aus dem Grab des Adligen ausgestellt. Dahinter Fotos von Oliviero Toscani, Teil der Sonderausstellung.

Neben der archäologischen Dauerausstellung finden oft auch noch Sonderausstellungen statt, die für so ein kleinstädtisches Museum erstaunlich hochkarätig sind. In 2024, als ich vor Ort war, waren dort z. B. Fotografien des italienischen Star-Fotografen Oliviero Toscani ausgestellt.

Eine Steintafel mit griechischer Inschrift
Eine Steintafel mit griechischer Inschrift

Das Museum ist durchaus sehenswert, hat aber ein Manko: Die Ausstellungstexte der älteren Dauerausstellung sind leider ausschließlich in Italienisch. Meine Italienisch-Kenntnisse haben ausgereicht, um das Wesentliche zu verstehen, zumal ich durch mein Archäologie-Studium gewisse Vorkenntnisse mitbrachte. Ich denke auch, dass dies in diesen Zeiten, in denen es gute KI-Übersetzungstools via Smartphone-App gibt, für wirklich Interessierte kein Hindernis mehr sein muss, aber für die Zukunft wäre zumindest eine zweisprachige Beschriftung, zusätzlich in Englisch, wünschenswert, um das Museum auch für ausländische Besucher besser zugänglich zu machen.

Zwei Keramik-Vögel und eine schwarze Amphore mit Vogel-Dekor
Diese beiden Keramik-Vögel und die schwarze Amphore mit Vogel-Dekor haben es mir angetan…

Der Eintritt war mit 13 Euro* nicht ganz günstig, allerdings muss man dabei bedenken, dass solche kleinen Museen häufig keine oder kaum Fördergelder erhalten und sich vor allem über die Eintrittsgelder über Wasser halten. Dazu handelte es sich um ein Kombi-Ticket, mit dem ich theoretisch auch noch eine Andy-Warhol-Ausstellung im Castello Svevo hätte besuchen können, was ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr geschafft habe.

Blick in den ehemaligen Kreuzgang des Museumsgebäudes des Archäologischen Museums in Vieste
Das Museo Civico Archeologico war früher ein Kloster. Hier sieht man den ehemaligen Kreuzgang mit Brunnen.

Und noch ein Hinweis zum Besuch: Informiere dich z. B. auf Google über die Öffnungszeiten; die sind nämlich speziell. Im Sommer öffnet das Museum zu Zeiten, zu denen andere Museen gerade für die Nacht schließen. Im Juni, als ich vor Ort war, war es abends von 18 bis 22 Uhr geöffnet.

Museums-Website

*im Juni 2024

Pizzomunno – oder: La città dell‘amore

Nach dem Abtauchen in die Geschichte ist nun Zeit für Geschichten: Es gibt nicht wenige Städte, die für sich den Anspruch erheben, die Stadt der Liebe zu sein. Für viele Italiener ist Vieste die einzig wahre „Cittá dell’amore“, denn hier spielt eine tragische und zugleich wunderschöne Liebesgeschichte, die in ganz Italien bekannt ist. Sie geht so:

Ein großes weißes Herz, das zwischen zwei Häusern aufgehangen ist, dahinter ist eine Treppe mit Herzen zu erkennen
Vieste gilt als “Stadt der Liebe” – im Hintergrund sieht man die Scalinata dell’amore.

„Einst lebte in Vieste ein junger Fischer mit dem Namen Pizzomunno. Jeden Tag fuhr er hinaus aufs Meer, um seiner Arbeit nachzugehen. Dort lebten die Sirenen. Sie verehrten Pizzomunno sehr, denn er war freundlich und er war ein gutaussehender Mann. Immer wieder baten sie ihn, bei ihnen zu leben und sie boten ihm sogar an, ihr König zu werden. Doch er lehnte jedes Mal ab.

Dafür hatte er auch einen guten Grund: Er war unsterblich verliebt in eine junge Frau aus dem Ort, in die schöne Cristalda. Sie erwiderte seine Liebe und sie waren glücklich zusammen. Doch die Sirenen waren eifersüchtig und sahen in Cristalda das Hindernis, das Pizzomunno von ihnen fernhielt. Eines Tages lockten sie seine Braut unter einem Vorwand ans Ufer. Sie schickten eine große Welle, die Cristalda fortriss und sie ertränkte. Pizzomunno brach es das Herz und vor lauter Gram versteinerte er zu einem großen Felsbrocken, der bis heute seinen Namen trägt.

Ein konisch geformter weißer Kalksteinfelsen in Vieste, der Pizzomunno
Der berühmte Felsen Pizzomunno – der Legende nach ist er ein Fischer, der aus Trauer um seine Geliebte versteinert ist.

Doch es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer: Denn es heißt, alle 100 Jahre kehrt Cristalda zurück und Pizzomunno verwandelt sich wieder in einen Menschen. Dann dürfen sie sich wiedersehen und eine Nacht zusammen verbringen.“

Diese tragische Liebesgeschichte macht Vieste in Italien zur Stadt der Liebe, und das sieht man überall in der Stadt. Berühmt ist die Scalinata dell’amore, eine lange Treppe, die einen Teil der Geschichte von Pizzomunno und Cristalda erzählt. Es heißt, wenn man sie gemeinsam mit der Person emporsteigt, die man liebt, wird diese Liebe ewig halten. Und wenn man genau hinschaut, findet man überall in der Altstadt rote Herzen und Fragmente der Geschichte.

Eine helle Treppe, auf der mit roter Farbe Herzen und italienische Textzeilen aus einer Geschichte gemalt sind.
Die Scalinata dell’amore: Hier finden sich einige Zeilen aus der Geschichte von Pizzomunno und Cristalda.

Und der Pizzomunno, der konisch geformte weiße Felsen, der vielleicht oder vielleicht auch nicht in Wirklichkeit ein vor Gram versteinerter Fischer ist, ist eines der beliebtesten Fotomotive in der Stadt.

Mit roter Farbe sind Herzen und italienische Textfragmente auf Treppen gemalt.
An vielen Stellen in der Altstadt finden sich Textfragmente aus der Geschichte von Pizzomunno und Cristalda.

Fischerei und Seefahrt

Wenn wir schon bei Fischern sind: Wie bereits erwähnt lebten die Einwohner von Vieste viele Jahrhunderte lang vor allem vom Fischfang. Und hier gibt es eine regionale Besonderheit, die man zum Teil auch heute noch sehen kann: Trabucchi. Ein Trabucco ist eine raffinierte Konstruktion, die Fischer an der Adriaküste vor Jahrhunderten erdacht haben. Sie sind typisch für die Gargano-Region und waren an der Küste zwischen Vieste und Peschici in großer Zahl zu finden.

Ein Trabucco - eine hölzerne Plattform mit seitlich und senkrecht herausragenden Stäben und Seilen
Ein Trabucco – entlang der Gargano-Küste gab es früher viele davon

Ein Gargano-Trabucco besteht aus einer hölzernen Plattform, die von einer Steilküste über das Meer ragt. Aus ihr ragen mehrere Seile, sogenannte Antennen, heraus, an denen ein engmaschiges Netz, eine Art große Reuse, befestigt wurde. Die Fischer versenkten es im Meer und nutzten das Zusammenspiel der Strömungen, um Fische zu fangen. Heute spielen die Trabucchi für die Fischerei keine Rolle mehr. Dank der Initiativen von Privatpersonen und Vereinen sind aber einige von ihnen rekonstruiert worden. Manche einfach nur, um an die Tradition zu erinnern, andere beherbergen heute z. B. Restaurants.

Wichtig für die Seefahrt ist der Leuchtturm (Il Faro) von Vieste. Er steht auf der kleinen, der Küste vorgelagerten Insel Santa Eufemia und wurde 1867 in Betrieb genommen. Früher gab es hier einen Leuchtturmwärter, heute erfolgt der Betrieb vollautomatisch, sodass hier niemand mehr ein einsames Dasein fristen muss. Der Leuchtturm ist eines der Wahrzeichen von Vieste.

Ein Leuchtturm aus beigem Sandstein, mit der Aufschrift "Vieste", darüber fliegt eine Möwe.
Der Leuchtturm von Vieste ist auch heute noch in Betrieb. Unter der Insel, auf der er steht, bergen Höhlen einige Geheimnisse.

Und die Insel, auf dem er steht, birgt Geheimnisse: In Höhlen wurden rund 200 Votiv-Inschriften in Griechisch und Latein aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. gefunden, die einen Kult für Venus Sosandra belegen – eine Göttin, die vor allem von Seefahrern verehrt wurde. Insofern steht der Leuchtturm genau am richtigen Ort! Die Funde sind zum Teil im schon erwähnten Museo Civico Archeologico in Vieste ausgestellt.

Was gibt’s in Vieste noch zu sehen?

Alle erwähnten Sehenswürdigkeiten liegen nah beieinander. Die Altstadt von Vieste ist recht klein und du kannst sie problemlos an einem Tag vollständig erkunden und abends vielleicht noch den Museumsbesuch dranhängen. Es kann sich aber auch lohnen, noch ein, zwei Tage dran zu hängen, denn rund um Vieste gibt es auch noch ein bisschen was zu sehen.

Weiße Kalkstein-Klippe, die am oberen Rand von Bäumen bewachsen ist, unten ist das Meer zu sehen.
Weiße Klippen, türkises Meer – so sieht die Gargano-Küste aus.

Berühmt sind die teils bizarren Felsformationen und Seegrotten an der Küste. Von Vieste aus werden Bootstouren zu den schönsten Spots angeboten, wenn man Glück hat, ist auch noch ein Badestopp an einem der wunderschönen Strände mit glasklarem, türkisen Wasser enthalten. Auch wenn die Touren sehr touristisch organisiert sind, lohnt es sich, denn die Küste ist einfach wunderschön.

Wer gerne in der Natur wandert, hat in der Region ebenfalls die Möglichkeit dazu. Bereits kurz hinter Vieste beginnt der Gargano-Nationalpark mit dem Foresta Umbra. Du willst lieber mehr historische Stätten erkunden? Da bietet sich zum Beispiel ein Ausflug zum Parco Archeologico die Santa Maria di Merino an, wo man die Nekropole „La salata“ erkunden kann, deren Funde zum Teil auch im archäologischen Museum in Vieste ausgestellt sind. Etwa 20 Kilometer weiter liegt die Stadt Peschici, die ebenfalls über eine schöne mittelalterliche Altstadt und auch ein Castello verfügt. Ich war allerdings nicht dort, daher kann ich dazu leider nicht viel schreiben.

Baden lässt es sich in Vieste auch ganz gut. Die Strände befinden sich zum Großteil im modernen Teil von Vieste und sind recht sauber. Das Wasser ist hier sehr seicht, man kann weit hineingehen und hat immer noch Stehhöhe. Allerdings ist es hier immer recht windig, weswegen Vieste auch beliebt bei Wind- und Kitesurfern ist. Wenn du eine dieser Sportarten gerne ausübst, lohnt es sich bestimmt, noch länger zu bleiben.

Der Strand von Vieste mit dem Meer bei Sonnenuntergang, der Himmel hat sich am Horizont orange verfärbt
Der Strand von Vieste – auch bei Sonnenuntergang ein Highlight.

Anreise und Mobilität vor Ort

Wie kommt man nun am besten nach Vieste? Während der Recherche stellt man fest, dass das unter Umständen gar nicht so einfach ist, denn Vieste liegt zwar direkt an der Küste, aber dennoch nicht gerade zentral. Eine Autobahn nach Vieste gibt es nicht, die Stadt ist vor allem über Land- und Dorfstraßen und teils recht enge Serpentinen erreichbar. Wenn du ein eigenes Auto, einen Campervan oder einen Mietwagen zur Verfügung hast, ist dies vermutlich der am wenigsten umständliche Weg.

Ich war allerdings auch ohne eigenes Auto vor Ort, und das klappt auch. Die nächstgelegenen Flughäfen sind Bari oder Foggia, von wo aus man mit einem Autobus weiter nach Vieste kommt. Vom Flughafen Bari aus verkehrt von Juni bis September ein Shuttlebus. Nicht wundern: Den Fahrplan veröffentlicht die Busgesellschaft erst Anfang Juni. Die Tickets können, wie eigentlich generell üblich in Italien, auch vorher schon online gebucht werden.

Blick auf die Dächer der Stadt Vieste und das Meer im Hintergrund
Vom Castello Svevo aus hat man einen fantastischen Blick über Vieste.

Von Foggia aus verkehren auch reguläre Buslinien, die das ganze Jahr fahren. Allerdings ist die Haupt-Touristenzeit in Vieste von Juni bis Ende September. Dazwischen ist nicht viel los in der Stadt und wahrscheinlich muss man dann auch damit rechnen, dass viele Restaurants und andere Lokalitäten gar nicht geöffnet sind. Etwas Zeit muss man für die Fahrt nach Vieste einplanen: Die Fahrt vom Airport Bari nach Vieste dauert an die drei Stunden, obwohl es gar nicht so viele Kilometer sind.

Innerhalb von Vieste kann man sich, wie schon erwähnt, sehr gut zu Fuß bewegen. Es gibt aber auch lokale Busverbindungen. Für Ausflüge in die Umgebung empfiehlt sich unter Umständen und je nachdem, wie viel Zeit man hat, vielleicht schon eher ein Mietwagen, wenn kein eigenes Auto vorhanden ist. Es gibt zwar auch Busse, aber die brauchen häufig sehr lange und fahren auch nicht so oft. Insgesamt merkt man schon, dass man sich in dieser Region eher an der Peripherie und nicht gerade in einem Ballungszentrum Italiens befindet. Beispielsweise in Kampanien, rund um den Großraum Neapel, sieht die ÖPNV-Infrastruktur selbst im ländlichen Raum ganz anders aus.

Land, Leute und Kulinarik

Die Menschen in Vieste habe ich, wie generell im Süden Italiens, als freundlich, herzlich und auch hilfsbereit erlebt. In Hotels und Restaurants, teilweise auch in den Lädchen, sprechen die Leute meist zumindest ein wenig Englisch.

Vieste ist zwar durchaus ein touristisches Ziel, aber die meisten Touristen kommen eben auch aus Italien. Kurz gesagt: Fließende Englisch- oder gar Deutschkenntnisse sollte man hier überwiegend nicht erwarten, vor allem nicht bei den Älteren. Ich persönlich finde es auch immer nett und respektvoll gegenüber seinen Gastgebern, zumindest ein paar Höflichkeitsfloskeln in der Landessprache zu lernen.

Blick auf Restauranttische an der alten Stadtmauer von Vieste zur blauen Stunde
An der alten Stadtmauer lässt es sich stilvoll speisen.

Tipp: Wenn du in Vieste bist, probiere auf jeden Fall mal das typisch apulische Street Food Paposcia. Das ist ein reichlich belegtes flaches Brot (Foccaccia), das wie eine Pizza im Ofen gebacken wird. Die meisten Varianten sind mit Schinken, Wurst oder Fleisch, aber meistens stehen auch ein oder zwei vegetarische Varianten auf der Karte, z.B. mit cima di rapa, einer Art Stängelkohl, der ein wenig an Spinat erinnert. Sehr lecker und definitiv sättigend!

Ebenfalls ein leckeres Street Food sind Panzerotti. Das sind gefüllte und zum Teil auch frittierte Teigtaschen, z.B. mit Tomate und Mozzarella und auch Schinken gefüllt. Oder: Piadine – Teigfladen belegt je nach Wunsch mit frischem Gemüse, Käse oder Schinken oder Wurst. In der Altstadt finden sich überall kleine Imbisse, wo man diese Leckereien kaufen kann. Im modernen Teil Viestes gibt es viele Restaurants direkt an Strandpromenade.

Blick auf einen Strand mit Liegen und Stroh-Sonnenschirmen in Vieste. Am rechten Rand ist eine Palme zu sehen.
Die Restaurants direkt an der Strandpromenade bieten einen tollen Ausblick. Urlaubsfeeling pur!

Fazit

Wenn du nach einem Reiseziel in Italien suchst, das Geschichte und landschaftlichen Reiz verbindet, und etwas abseits der Standard-Touristenrouten liegt, solltest du Vieste und der Gargano-Küste einen Besuch abstatten. Vieste ist ein hübsches, reizvolles Städtchen. Die Stadt wird auch die „Perle des Gargano“ genannt und gilt als die schönste Stadt der Region.

Da die Stadt nicht groß ist, bietet sie sich auch optimal für einen Zwischenstopp an, wobei ich schon empfehlen würde, zwei Tage in Vieste zu bleiben. Dann hast du einen Tag für die Erkundung der Altstadt und einen weiteren Tag für eine andere Aktivität, z. B. für eine Bootstour an der Küste entlang. Viele Informationen zu Vieste findest du auch auf der Seite Visit Vieste (Englisch oder Italienisch).

Boote, die während des Sonnenuntergangs am Pier liegen, an der Marina von Vieste.
Die Marina von Vieste – hier starten auch die Bootstouren zu den Grotten und an der Küste entlang.

Die ganze Region ist vor allem ländlich, die nächstgrößere Stadt Foggia liegt fast 100 Kilometer entfernt. Hier kommt man in Berührung mit einer Region, die anders als andere Regionen in Italien nicht total auf den Tourismus ausgerichtet ist. Apulien zieht sich weiter hinab über den gesamten Absatz des italienischen Stiefels und hat mit Bari oder Lecce, das als „Florenz des Südens“ gilt auch noch interessante größere Städte zu bieten. Ich werde ganz bestimmt irgendwann mal wiederkommen!

Verrat mir gerne mal in den Kommentaren: Warst du schon einmal in Apulien allgemein oder sogar in Vieste? Wenn ja: Was sind deine Tipps und Highlights?

Du willst mehr Tipps, wo du Geschichte vor Ort erkunden kannst? Dann schau doch mal in die gleichnamige Blog-Kategorie.

Von Sylvia S

Liebt Geschichte und das Reisen. Aber auch Literatur, Fußball, Gaming und Heavy Metal. Und fragt sich seit Jahren, warum es eigentlich keine Wikinger-Emojis gibt.

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