Modell der im Eis eingefrorenen Fram mit Figuren, die typische Arbeiten verrichten

Das ewige Eis faszinierte die Menschheit schon immer. Noch lange Zeit, als schon weite Teile der Welt entdeckt, vermessen und kartografiert worden sind, waren die Arktis und die Antarktis „terra incognita“, unbekanntes Land. Weder wussten die Menschen, ob sich dort überhaupt feste Landmassen befand noch ob oder wenn ja, welches Leben es dort gab. Besonders groß war die Faszination offenbar in Norwegen. Denn eine ganze Reihe von Polarexpeditionen im 19. und frühen 20. Jahrhundert gingen von dem skandinavischen Land aus. Das Fram Museum in Oslo widmet sich in einer umfangreichen Dauerausstellung den Expeditionen und den wagemutigen norwegischen Entdeckern, die sie anführten und begleiteten.

Norwegische Seefahrt

Das Fram Museum liegt auf der Halbinsel Bygdøy, die vom Osloer Zentrum sehr gut in 15-20 Minuten mit dem Bus zu erreichen ist. Direkt neben dem Fram Museum liegt das Norwegische Seefahrtsmuseum und auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Kon-Tiki-Museum. Wenn du also in Oslo zu Besuch bist und einen Thementag zur norwegischen Seefahrt und Entdeckern einlegen möchtest, bist du hier bestens bedient und musst keine weiten Wege zurücklegen.

Fram-Museum Außenansicht
Das Fram-Museum sieht schon von außen spektakulär aus.

Schon von außen ist das Gebäude imposant, mit seiner dreieckigen Form erinnert es ein wenig an einen Eisberg. Das Museum ist schon 1936 eröffnet worden, ist aber 2013 noch einmal erweitert worden. Das wohl gewaltigste Exponat, für das dieses Museum ursprünglich errichtet wurde, ragt schon kurz hinter dem Eingangsbereich vor den Besuchern auf: das mächtige Polarschiff „Fram“. Das Schiff wurde auf Initiative des norwegischen Polarforschers und Wissenschaftlers Fridtjof Nansen von Colin Archer entworfen und 1892 fertiggestellt. Es war extra stabil gebaut worden. Denn Nansen hatte vor, sich und seine Crew mit dem Schiff im Eis einfrieren zu lassen, um zu beweisen, dass es den „Eisdrift“ am Nordpol gibt. Ein absolut wahnsinniges Unterfangen, das aber gelungen ist und Nansen weltberühmt gemacht hat.

Nansen und Amundsen

Von 1893 – 1914 war die Fram für Polarexpeditionen im Einsatz, nicht nur mit Fridtjof Nansen, sondern auch mit seinem nicht minder berühmten Landsmann und Entdeckerkollegen Roald Amundsen. Das originale Schiff ist hier ausgestellt. Es kann nicht nur von außen, sondern auch von innen und unter Deck besichtigt werden. Seit 2009 ist außerdem das deutliche kleinere Polarschiff Gjøa im neuen Anbau zu besichtigen, mit der Amundsen im Jahr 1906 zum ersten Mal die berüchtigte Nordwestpassage bewältigte. Die dazu gehörige Ausstellung ist auch durchaus sehenswert, doch von den beiden Schiffen ist die Fram eindeutig das interessantere.

Interessanter nicht nur deswegen, weil es viel größer ist, sondern weil es im Gegensatz zur Gjøa noch mit den Original-Aufbauten von der zweiten Expedition 1902 ausgestellt ist. Außerdem ist die Einrichtung unter Deck mit seinen Kajüten, seiner Kombüsen, Lager- und Laderäumen und Werkstätten noch erhalten und wurde teils mit Original-Gegenständen von der Fram bzw. persönlichen Besitztümern der Expeditionsteilnehmer oder mit zeitgenössischen Objekten ausgestattet. Insgesamt vermitteln sie einen guten Eindruck, wie es an Bord des Forschungsschiffes während der Expeditionen wahrscheinlich ausgesehen hat.

Erlebnis für alle Sinne

Die Kuratoren der Ausstellung haben sich Mühe gegeben, einerseits die Originalität des Schiffes zu wahren, gleichzeitig aber auch ein museumspädagogisches Konzept umzusetzen und die Besucher in einem festgelegten Weg durch die Räume zu führen. Dabei wurden auch die Kleinen nicht vergessen. Es gibt Stationen für Kinder, in denen die Geschichte kindgerecht aufbereitet wird und die Sinne angeregt werden. Es gibt Dinge zum Anfassen, Puzzeln oder auch zum Riechen. Überflüssig zu erwähnen, dass nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen (die Verfasserin dieser Zeilen eingeschlossen) reichlich Gebrauch von diesen Möglichkeiten machten. Ist ja schließlich selten genug, dass man in einem Museum mal etwas anfassen darf… Ein kleiner Film mit Original-Aufnahmen der Expeditionen ist ebenfalls unter Deck zu sehen.

Auf zwei Etagen ziehen sich Emporen rund um das Schiff, auf denen zahlreiche Texttafeln, viele Fotos und ein paar Modelle die Geschichte der verschiedenen Polarexpeditionen erzählen. Es wurde viel Wert darauf gelegt, alle Crewmitglieder zu würdigen und zu porträtieren.

Für Lesefreudige

Zugegeben: Es ist schon sehr viel Text, zumindest wenn man den Anspruch hat, wirklich alles zu lesen. In dieser Hinsicht bewegt sich das Museum museumspädagogisch nicht gerade auf dem allerneusten Standard, zumal die optische Erscheinung der Tafeln auch nicht unbedingt klar macht, welche von ihnen man zwingend lesen sollte und welche vielleicht eher als optional anzusehen sind. Diese Fülle an Informationen wäre möglicherweise im Ausstellungskatalog besser aufgehoben.

Ansicht in den Lagerraum der Fram
Unter Deck im Lagerraum gibt es viel zu sehen, und auch anzufassen oder zu riechen.

Die Texttafeln sind alle zweisprachig in Norwegisch und Englisch gehalten. Dazu gibt es bei allen großen Texttafeln kleine digitale Bildschirme, in der man sich die Texte zusätzlich in anderen Sprachen, auch in Deutsch, anzeigen lassen kann. Einige wenige der kleinen Touchscreens waren bei meinem Besuch außer Betrieb.

Vom Deck der Fram wird eine 270-Grad-Projektion der arktischen Landschaft an die Wände geworfen, klanglich untermalt vom Geräusch knarrender Schiffsplanken und dem Knarzen des Eises oder dem Krachen, mit dem Eisschollen abbrechen und ins Wasser stürzen. Durchaus atmosphärisch.

Gruseliges Highlight

Ein weiteres, etwas gruseliges Highlight im Fram-Gebäude ist der Polar-Expeditions-Simulator. Hier kannst du erleben, wie es sich anfühlt, wenn ein Schiff im Eis eingefroren ist und von ihm langsam zermalmt wird. Der Boden schwankt, Eis und Schiff knarren bedrohlich, und arktische Temperaturen von -40 Grad geben einen Eindruck von den ultraharten Bedingungen, denen sich die Forscher aussetzten. Lebensecht wirkende Modelle von erfrorenen Leichen machen das Gruselerlebnis perfekt.

Weitere Ausstellungselemente laden ein, die Belastungen einer Polarexpedition zu spüren. So kann man zum Beispiel selbst ausprobieren, einen voll beladenen Hundeschlitten zu ziehen oder ein Iglu betreten und sich ein Bild von der beengten Umgebung zu machen.

Modell eines vollgepackten Schlittens für Arktis-Expeditionen
So ein Hundeschlitten ist echt schwer, wenn er voll beladen ist. Im Museum kann man ausprobieren, wie es sich anfühlt, ihn zu ziehen.

Die Entdeckung der Nord-West-Passage

Das Gjøa-Gebäude schließlich widmet sich der Entdeckung der Nordwestpassage, die lange Zeit ein Mythos war, und deren erstmalige Befahrung schließlich Roald Amundsen im Jahr 1906 unter widrigen Bedingungen gelang. Schon zuvor hatten immer wieder Wagemutige versucht, die Passage zu finden und viele bezahlten den Versuch mit dem Leben. Auch sie finden in der interessanten Ausstellung Erwähnung. Aber auch hier: Nix für Lesemuffel…

Die Gjøa stand lange Zeit im Golden Gate Park in San Francisco, bis Norwegen es in den 1970ern zurückgekaufte. Das Schiff ist ebenfalls begehbar und man kann auch unter Deck. Hier gibt es aber nicht viel zu sehen. Und auch die wenigen Aufbauten sind Nachbauten.

Außenansicht Gjøa

Ein paar Tipps zum Besuch

Der Museumsplan empfiehlt, dass man seinen Besuch im Kino starten soll, in der alle 15 Minuten eine knapp viertelstündige Film-Einführung in zehn auswählbaren Sprachen gezeigt wird. Leider kann ich über diesen Film absolut nichts sagen, da ich das Kino tatsächlich gar nicht gesehen habe und den Tipp, dass man dort starten soll, auch erst am Ende meines Besuchs gelesen habe. Vielleicht lag es daran, dass mich das imposante Schiff gleich anzog, vielleicht auch an persönlicher Verwirrtheit – wer weiß. Insgesamt fand ich die Wegführung im Fram Museum aber etwas ausbaufähig.

Den Tunnel, der in den neuen Anbau mit der Gjøa führt, habe ich eine ganze Weile lang gesucht, nur um nach etwa drei Runden um die Fram festzustellen, dass ich auf dem Weg wohl an ihm vorbei gestürmt sein muss. Aus architektonischen Gründen war vielleicht auch keine andere Platzierung des Kinos möglich. Aber vielleicht hätte man es auch im Museum ein wenig deutlicher ausschildern können, wenn es als Startpunkt dienen soll.

Und höchstwahrscheinlich ist es wirklich sinnvoll, mit dem Film zu starten, denn er gibt einem Hintergrundwissen, das mir ein wenig gefehlt hat, als ich dann in die Ausstellung einstieg und das ich mir dann etwas mühsam über die umfangreichen Texttafeln zusammenlesen musste. Mir war auch nicht auf Anhieb klar, in welcher Reihenfolge man die Ausstellung sinnvollerweise durchschreitet. An der Kasse erhält man einen Museumsplan, der einen Überblick gibt, wenn man ihn durchschaut hat. Unter dem Stichwort „intuitiv“ würde man aber im Lexikon eher keine Abbildung dieses Plans finden, fürchte ich.

Vorwärts durchs Museum

Norwegen ist bekanntermaßen ein Land, das viele berühmte Entdecker hervorgebracht hat. Mit dem Fram Museum hat es ihnen und ihren Abenteuern ein würdiges Denkmal gesetzt. Wenn du dich für die Polarexpeditionen oder Seefahrtgeschichte allgemein interessierst, solltest du dieses Museum auf jeden Fall auf deine Bucket List setzen, wenn du Oslo besuchst. Trotz einiger museumspädagogischer und architektonischer Punkte, die ich im Text bemäkelt habe, ist es alleine wegen der Fram und den anderen Exponaten ein interessantes Museum. Gut und gerne anderthalb bis zwei Stunden kann man für das Museum einplanen. Wenn man anschließend den Wunsch verspürt, sich tiefer mit der Thematik auseinanderzusetzen, kann man sich im Museumsshop anschließend mit massig Polarliteratur eindecken, denn der Laden ist sehr gut sortiert.

Modell von einem großen Tier mit zwei Jungtieren
Auch die arktische Fauna hat ihren Platz im Museum.

Tipps für den Besuch

Bei der Planung des Besuchs solltest du bedenken, dass es sich um ein ziemlich stark frequentiertes Museum handelt. Das heißt, es ist vermutlich sinnvoll, den Besuch, wenn es sich mit der Reiseplanung irgendwie vereinbaren lässt, nicht unbedingt auf einen Samstag oder Sonntag zu legen. In meinem Fall ging es nicht anders, ich war an einem Sonntagvormittag dort, zum Glück gleich um 10 Uhr, als das Museum geöffnet hat. Denn so konnte ich zumindest noch die erste halbe bis dreiviertel Stunde einigermaßen in Ruhe schauen.

Danach wurden ganze Reisebusse mit Besuchergruppen angekarrt, die sich dann über die schmalen Gänge des Museums schoben. Das war kein entspanntes Schauen mehr, man wurde eigentlich nur noch vorwärts geschoben – eigentlich witzig, denn „Fram“ bedeutet auf Norwegisch „Vorwärts“ – und hatte schon ein schlechtes Gewissen, wenn man sich zu lange bei der Betrachtung der Fotos oder dem Studium der Texte aufhielt. Im Gjøa-Gebäude war es allerdings deutlich leerer.

Fazit

Das war etwas schade, denn ich hätte mir gerne an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Zeit genommen und habe mich nach hinten heraus dann auch immer mehr beeilt, weil mir das Museum zu voll wurde und ich deswegen irgendwann einfach raus wollte. Das lag aber letztlich an mir und nicht am Museum. Ich kann mir gut vorstellen, das Museum noch einmal zu besuchen und mir dafür einen Tag auszusuchen, an dem die Besucherzahlen etwas überschaubarer sind. Vielleicht erhält auch das museumspädagogische Konzept irgendwann noch mal eine Modernisierung. Alles in allem ist das Fram Museum auf jeden Fall einen Besuch wert!

Reisetipp:

Die Halbinsel Bygdøy wird zwar auch Museumshalbinsel genannt, weil sich dort neben dem Fram Museum auch noch das Kon-Tiki-Museum, das Norwegische Seefahrtsmuseum, das Norsk Folkemuseum, das Holocaust Sentrum und das Wikingerschiffmuseum (Vikingskiphuset) befinden. Letzteres ist derzeit (Stand Januar 2023) wegen eines Umbaus geschlossen. Es wird umfangreich erweitert und soll als Vikingtidsmuseet (Wikingerzeitmuseum) voraussichtlich 2026 mit einem brandneuen, modernen Ausstellungskonzept wiedereröffnen. Geplant ist hier das größte Museum zur Wikingerzeit weltweit, man darf also gespannt sein. Auch die drei Wikingerschiffe aus dem Vikingskiphuset werden dann dort wieder zu bewundern sein.

Bygdøy hat aber nicht nur kulturell einiges zu bieten, sondern ist auch ein schönes Naherholungsgebiet, das die Osloer gerne in ihrer Freizeit nutzen. Der norwegische König hat hier seine Sommerresidenz. Es gibt schöne Wanderwege, man kann im Meer baden und die Natur genießen. Ein Besuch auf der Halbinsel lässt sich also für Reisende sehr gut mit einem Tag im Grünen verbinden. 

Von sylvia1985

Liebt Geschichte und das Reisen. Aber auch Literatur, Fußball, Gaming und Heavy Metal. Und fragt sich seit Jahren, warum es eigentlich keine Wikinger-Emojis gibt.

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