Impressionen aus dem Viking Valley Gudvangen

Hunderte Meter hoch ragen die massiven Felswände, aus denen kleine Wasserfälle strömen. Sie rahmen ein schmales Tal ein, in dem der kleine Ort Gudvangen liegt. An diesem Morgen sind die Spitzen der Berge in dicke Wolken getaucht. Der Himmel ist grau und das Wasser des Nærøyfjords erscheint ebenfalls in einem dunklen blau-grau. Eine mystische Stimmung liegt über dem ganzen Ort. Ein perfekter Morgen für einen Ausflug in die Welt der Wikinger in Norwegen und einen Besuch der Hauptattraktion Gudvangens: das Wikingerdorf Njardarheimr.

Den Göttern nah

Im Herzen des UNESCO Weltnaturerbes der norwegischen Fjordlandschaft, mitten in der wunderschönen Sognefjord-Region, liegt der 150-Seelen-Ort Gudvangen. Obwohl der Ort so klein ist, gibt es hier zwei Campingplätze und ein Hotel. Der Ort ist beliebt als Durchgangsstation für Reisende, Motorradfahrer und Wanderer in Fjordnorwegen.

Gudvangen bedeutet „Tal der Götter“. Und wenn man sich in dieser gewaltigen Natur so umschaut, vor allem an einem Morgen wie diesem, an dem die Wolken so tief über den Bergen hängen, kann man sich gut vorstellen, wie nah die Menschen sich damals hier ihren Göttern gefühlt haben müssen. Nach einer Weile an diesem Ort wäre auch ich chronische Skeptikerin nicht mehr überrascht gewesen, wenn Odin plötzlich höchstpersönlich vor mir gestanden hätte. Tatsächlich leitet sich auch der Name des Nærøyfjords vom altnordischen Gott Njörd ab. Auch dem Wikingerdorf Njardarheimr leiht der Gott der Seefahrer seinen Namen. Die alten Götter sind also hier sehr allgegenwärtig.

Holzhäuser mit Grasdächern in Gudvangen, Norwegen
Wikinger Norwegen
Blick ins Viking Valley Gudvangen vor gewaltiger Kulisse

Das Viking Valley Gudvangen mit dem Wikingerdorf will vor allem ein lebendiges Kulturerbe sein. Das Tal war auch während der Wikingerzeit besiedelt. Mehrere wikingerzeitliche Gräber wurden in der Nähe gefunden und teilweise ausgegraben. Im Jahr 2017 wurde das Dorf errichtet und für die Öffentlichkeit als dauerhafte Besucherstätte errichtet. Zuvor hatte es an gleicher Stelle bereits fast 20 Jahre in jedem Sommer einen Wikingermarkt mit ähnlichem Konzept gegeben. Der Markt findet immer noch einmal jährlich statt, die Termine erfährt man u. a. bei Instagram (@vikingvalley.no).

Historische Authentizität

Aktuell besteht das Dorf aus etwa 20 fertigen Gebäuden, die im Stil und mit den Methoden der Wikingerzeit errichtet wurden. Dabei legten die Erbauer großen Wert auf historische Authentizität gelegt, etwa bei den verwendeten Materialien. Es kommen die Materialien zum Einsatz, die auch schon die Wikinger in Norwegen im Frühmittelalter benutzt haben, z. B. Ochsenblut oder Kupferoxid bei den Farben. Es gibt eine große Häuptlingshalle, einen Schmied, eine Textilverarbeitung, eine Schmuckmacherin und vieles mehr.

Ein Wikingerhelm auf einem Tisch, davor Schilde
Wikinger Norwegen

Vereinzelte kritische Bewertungen bei Google oder Trip Advisor mäkeln, es sei ja nur eine Ansammlung von Holzhütten mit ein paar Leuten, die als Wikinger verkleidet sind. Dies wird dem Projekt aber wirklich nicht gerecht. Natürlich sind die Gebäude in moderner Zeit errichtet worden und „echte“ Wikinger wird man auch schwerlich dort ansiedeln können. Zumindest nicht, solange nicht wirklich mal eine funktionierende Zeitmaschine erfunden wird oder sich anderweitig ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum auftut. (Wer sich für dieses Szenario interessiert: Wie es aussehen könnte, wenn Wikinger plötzlich vom frühen Mittelalter in die moderne Zeit katapultiert werden, zeigt die wirklich sehenswerte und gesellschaftskritische norwegische TV-Serie „Beforeigners“. Sie wurde auch auf Deutsch übersetzt wurde und war auf ARD zu sehen.)

Next Level Re-Enactment

Das Wikingerdorf ist ein Re-Enactment-Projekt auf einem ganz anderen Level. Denn neben einigen Angestellten gibt es einen großen Pool von freiwilligen Wikinger-Enthusiasten aus Norwegen und anderen Ländern. Sie haben es zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht haben, Besuchern die Geschichte und die Kultur der Wikinger in Norwegen nahezubringen. Sie leben ihre Rolle, manche von ihnen das ganze Jahr über, und verstehen sich als moderne Wikinger. Hierbei geht es weniger um wildes Schwertgefuchtel oder ums Plündern und Brandschatzen, auch wenn dieser Teil der Geschichte natürlich ebenfalls erzählt (aber zum Glück heute nicht mehr gelebt!) wird.

Es geht um die Verbundenheit der Menschen zur Natur und zu ihrer Umwelt. Aber auch um das händische Arbeiten mit Materialien, die vor Ort zu finden sind. Dem Reiz des Re-Enacting sind ja auch bei uns viele Menschen erlegen. Auch diejenigen, die diesbezüglich nicht aktiv sind, kennen bestimmt den gelegentlichen Wunsch, unserer schnelllebigen und hochkomplexen Welt mal für eine Weile zu entfliehen, in der man kaum noch einen persönlichen Bezug zu der Nahrung, die man zu sich nimmt oder den Gegenständen, die man jeden Tag benutzt, hat oder gar wüsste, wer sie hergestellt hat.

Alles zum Anfassen

Im Wikingerdorf Njardarheimr haben auch die Besucher die Gelegenheit, in eine andere Zeit abzutauchen. Sie können sich im Dorf frei bewegen. Da es kein Museum mit empfindlichen historischen Objekten ist, darf man alles anfassen – nicht nur für Kinder ein großer Spaß. Im Eintrittspreis enthalten ist eine 45-minütige, sehr kurzweilige Führung. Sie führt die Besucher nicht nur durch verschiedene Stationen des Dorfes, sondern vermittelt auch viel Input über die Geschichte, die Kultur, Religion, die Kriegsführung, Waffen und auch Handwerk wie Textilverarbeitung der Wikingerzeit.

Die Führungen finden in regelmäßigen Abständen mehrfach am Tag statt. Sie werden zumeist in englischer oder norwegischer Sprache, aber auch in anderen Sprachen durchgeführt, zum Beispiel auf Deutsch oder Italienisch. Das hängt auch immer davon ab, welche Freiwilligen an diesem Tag zugegen sind.

Im Dorf gibt es aber mehr als reinen Frontalunterricht, denn du kannst auch einiges ausprobieren. Ob du dich eher beim Axtwerfen oder Bogenschießen vergnügen möchtest, oder weniger kriegerische Tätigkeiten wie Perlenherstellung oder Trommeln bevorzugst, bleibt dabei ganz dir überlassen.

Der Schmied im Wikinger-Dorf Gudvangen, Norwegen, bei der Arbeit in seiner Schmiede.
Der Schmied stellt in seiner Werkstatt u. a. Nägel her.

Eine Partie Wikingerschach

Du kannst auch einfach zuschauen. Der Schmied freut sich immer über Besucher in seiner Werkstatt und beantwortet geduldig und freundlich alle Fragen zu seinem Handwerk. Für alle, die es näher interessiert: Er ist auf Instagram als @vikingblacksmith zu finden und gibt auch dort viele Einblicke in seine Arbeit. Und schließlich haben die Wikinger nicht nur gekämpft und gearbeitet. Feste und Vergnügen waren ein wichtiger Bestandteil der Kultur.

In der Häuptlingshalle kannst du dich zum Beispiel an einer Partie Hnefatafl versuchen, einem altnordischen Brettspiel, das ein wenig an Schach erinnert und dessen Regeln überliefert sind. Spielsteine dieses Spiels hat man in vielen wikingerzeitlichen Gräbern gefunden. Wenn du übrigens schon immer mal typischen Schmuck oder auch handgeschmiedete Nägel dein Eigen nennen wollte, kannst du dir auch diesen Wunsch hier erfüllen. Denn die handwerklichen Produkte, die im Dorf hergestellt werden, kann man auch im Gift Shop kaufen.

Im Dorf laufen Hühner und Schafe frei herum, was dem Ort noch einmal ein besonderes Flair verleiht. Sie sind allerdings auch der Grund, warum im Dorf keine Hunde erlaubt sind. Das Wikingerdorf Njardarheimr ist ganzjährig für Besucher geöffnet, von Oktober bis März allerdings mit verkürzten Öffnungszeiten. Das hat wohl auch damit zu tun hat, dass es im Winter in Norwegen schon sehr früh dunkel wird. Gruppenführungen kann man nach Absprache buchen.

Neben den regulären Besuchen mit Führung kann man auch besondere Angebote buchen, z. B. eine Viking Food Experience oder auch Schmiedekurse für Anfänger beim schon erwähnten Viking Blacksmith. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich das Dorf entwickelt. Denn neue Häuser sind bereits in Planung und waren teils bei meinem Besuch auch schon im Bau.

Eintauchen in die Wikingerzeit

Wenn du ohnehin schon Wikingerfan bist, wirst du diesen Ort bestimmt mögen. Du musst dich eben nur darauf einlassen, dass es Re-Enactment und kein Museum ist. Wenn man sich viel und intensiv mit der Wikingerzeit auseinandergesetzt hat, kann man zwar vielleicht nicht mehr so viel Neues lernen. Aber man kann auf jeden Fall vor einer spektakulären Naturkulisse wunderbar in die Zeit eintauchen. Man bekommt eine Idee davon, wie es damals ausgesehen haben könnte, auch wenn manches z. B. bei der Häusergestaltung notgedrungen der Fantasie überlassen werden musste.

Blumen vor Holzhäusern im Wikinger-Dorf Gudvangen, Norwegen

Die Erhaltungsbedingungen in Skandinavien sind aufgrund des Klimas und der recht sauren Böden sind leider einfach ziemlich schlecht. Dazu kommt, dass die Wikinger hauptsächlich mit Holz und anderen vergänglichen Materialien gearbeitet haben.

Wenn du dich aber nicht so intensiv mit der Wikingerzeit beschäftigt hast, kannst du hier viel über die Zeit lernen. Auch für etwas ältere Kinder ist ein Besuch im Wikingerdorf mit Sicherheit spaßig und interessant. Also, wenn du mal in der Nähe von Bergen bist und ein wenig auf den Spuren der Wikinger in Norwegen wandeln möchtest: Ein Abstecher ins Viking Valley Gudvangen lohnt sich!

Willst du mehr über die Wikinger lesen? Dann schau mal in das Beitragsarchiv “Wikinger!”

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Von sylvia1985

Liebt Geschichte und das Reisen. Aber auch Literatur, Fußball, Gaming und Heavy Metal. Und fragt sich seit Jahren, warum es eigentlich keine Wikinger-Emojis gibt.

2 Gedanken zu „Viking Valley Gudvangen: Geschichte erleben im Tal der Götter“
  1. Sehr interessante Geschichte! So anschaulich wie das Treiben der Wikinger dargestellt ist, möchte man sich gleich auf die Socken nach Gudvangen machen…!

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