Schaufensterpuppen in einem nachgebauten Haus-Luftschutzraum, in Hagen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Geschichte,

Das durchdringende Heulen des Fliegeralarms reißt die Menschen aus dem Schlaf, treibt sie mitten in der Nacht auf die Straße. Die nötigsten Habseligkeiten in einem Koffer in der Hand, an der anderen Hand die Kinder, rennen sie auf das große Betongebäude zu, den Bunker. Er ist kein sonderlich einladender Ort. Doch verspricht er Sicherheit vor den Bomben, die in wenigen Augenblicken auf die Stadt fallen werden und alles zerstören, was sie erwischen können.

Die schwere Bunkertür schlägt zu, die Menschen stehen beengt in einem der kleinen Schutzräume oder auf dem Gang. Der Bunker ist völlig überfüllt. Es ist stickig und warm, die Luft riecht muffig, verbraucht und dann auch streng. Denn unter Todesangst hat nicht mehr jeder die Kontrolle über Blase und Darm. Sie hören das Krachen der Bomben außerhalb der Bunkermauern, spüren die Erschütterungen und wissen nicht, ob ihr Zuhause in diesem Moment noch steht. Sie stehen in völliger Dunkelheit, denn der Strom ist ausgefallen. Die Mauern des Bunkers sind zwar dick. Doch einen Volltreffer würde er nicht aushalten.

Vorderansicht Bunker Hagen, mit dem Schriftzug "Nie wieder Krieg".
Der Hochbunker in der Bergstraße in Hagen

Schnitt. Blende in die Gegenwart. „Nie wieder Krieg!“ prangt ein großer Schriftzug an den grauen Betonmauern des Hochbunkers in der Bergstraße, mitten in der Innenstadt von Hagen, einer mittelgroßen Stadt im südlichen Ruhrgebiet, an der Grenze zum Sauerland. Und doch sind die eingangs geschilderten Szenen auch im Jahr 2023 noch bittere Realität für viele Menschen auf der Welt. Seit über einem Jahr sogar wieder in Europa. Der Zweite Weltkrieg ist seit fast 80 Jahren vorbei. Die Menschen, die noch aus eigener Erinnerung von ihm berichten können, werden weniger. Doch hier im Bunker sind die Schrecken des Krieges lebendig.

Ein Gang im Bunker mit dunkel gekacheltem Boden und weißen Betonwänden. Vor Kopf ein Schild mit der Aufschrift "Rauchen verboten".
Blick in einen der Gänge im Untergeschoss des Bunkers

Und seine Geschichte beginnt so richtig, als der Krieg für die deutsche Zivilbevölkerung auf einmal nicht mehr Tausende Kilometer weit weg war. Ab 1942 änderte sich die Kriegsstrategie der britischen Luftwaffe und ihrer alliierten Verbündeten. Bis 1940 und 1941 konzentrierten sie sich noch weitestgehend auf die Bombardierung von kriegswichtiger Industrie und Logistik-Infrastruktur. Ab 1942 bombardierte die Air Force gezielt und vor allem die Innenstädte und Wohngebiete.

Propaganda-Plakat im Bunker aus der NS-Zeit mit der Aufschrift "Der Feind sieht dein Licht! Verdunkeln!"
Propaganda-Plakat aus dem Zweiten Weltkrieg. Verstöße gegen die Verdunklungsvorschriften wurden streng geahndet.

Ziel war es, die Kriegsmoral der Zivilbevölkerung und insbesondere der Industriearbeiter, z. B. im Ruhrgebiet, das auch als Waffenschmiede des Deutschen Reichs bekannt war, zu schwächen. Jetzt kam der Krieg wirklich zu den Menschen nach Hause. Und die Ausstellung im Bunker zeigt: Er kam nicht nur in Gestalt britischer Bomberverbände zu den Menschen. Sondern er hatte sich schon vor dem Luftkrieg auch auf leiseren Sohlen bis in die Kinderzimmer geschlichen.

Das Kriegsmuseum im Bunker

Seit 2012 ist der Bunker in Hagen als privat geführtes Museum für Besucher zugänglich. Im untersten Geschoss befindet sich das Kriegsmuseum. Hier erlebt man zum einen, wie es in einem Bunker im Zweiten Weltkrieg ausgesehen hat. Viele Exponate stammen original aus dem Bunker oder es sind zeitgenössische Objekte, die so oder so ähnlich mit Sicherheit auch in diesem Bunker gestanden haben. Eindrucksvoll ist der Blick in einen der kleinen Luftschutzräume. Gerade einmal sechs Quadratmeter misst der Raum, darin ein mehrstöckiges Etagenbett, ein Tisch und ein großer Metalleimer, die Nottoilette.

Eingequetscht in der Dunkelheit

„Ursprünglich stellte man es sich wohl so vor, dass jeweils eine Familie in einem Raum unterkommen sollte“, erklärt Bunker-Mitarbeiterin Vivien. „Allerdings befanden sich in der Realität meistens mindestens 20 Personen in einem solchen Raum. Die Kinder und die Alten hat man aufs Bett gesetzt, alle anderen mussten stehen. Zeitzeugen haben uns berichtet, dass sie hier wie Ölsardinen eingequetscht standen, und das oft über Stunden.“ Der Grund: Geplant wurde der Bunker zwar für 1.200 Personen. Doch als der Luftkrieg ab 1943 über dem Ruhrgebiet tobte, flüchteten sich meist 3.000 Menschen in den Bunker. Also mussten die Leute eng zusammenrücken.

Ein kleiner Raum im Bunker mit einem vierstöckigen Etagenbett, einem Tischchen mit alten Zigaretten und einer Kinder-Schaufensterpuppe, die eine Uniform der Hitlerjugend trägt.
Einer der kleinen Luftschutzräume – am rechten Bildrand kommt tatsächlich nicht mehr viel, der Raum war sehr klein.

Besonders beklemmend: Die Türen wurden während der Angriffe grundsätzlich abgeschlossen, die Leute waren also eingesperrt. Dies klingt grausam, folgte aber durchaus einer Logik. „Das machte man vor allem, um eine Massenpanik zu verhindern. Wenn dann eine Person in Panik geriet und durchdrehte, konnte sie eben maximal die Menschen in ihrem Raum mitreißen, aber nicht die anderen Personen im Bunker. Und sie konnte auch nicht in Todesangst die Bunkertür öffnen und in den Bombenhagel laufen“, sagt Vivien.

Blick in einen Bunker-Gang, links und rechts stehen Metalltüren offen.
Hier stehen die Türen offen – bei einem Angriff wurden sie stets abgeschlossen.

Der Bunker in Hagen war gut ausgestattet, er wurde auch als Luxus-Bunker bezeichnet. Während der Bombenangriffe fiel meistens sofort der Strom aus, weil die Bomben die Oberleitungen trafen. Damit die Menschen im Bunker nicht erstickten, sorgte ein mächtiges Notstromaggregat für Strom. Dieses reichte allerdings nur für die Belüftung aus, nicht aber für Licht.

Das Notstromaggregat im Bunker
Das Notstromaggregat im Bunker versorgte die Menschen mit Frischluft, wenn der Strom ausfiel.

Und selbst wenn dieses ausgefallen wäre, hätte man den Bunker per Muskelkraft mit drei Handpumpen pro Stockwerk belüften können. Die Anlage verfügte sogar über Aktivkohlefilter, mit denen man zum Beispiel Giftgas herausfiltern konnte. Überhaupt zeigt die Ausstellung zum Thema Luftschutz, dass man intensiv auf Giftgasangriffe vorbereitet war. Dieses war bekanntlich im Ersten Weltkrieg an der Front oft zum Einsatz gekommen. Daher rechnete man auch im Zweiten Weltkrieg damit. Im Bunker gibt es sogar eine Gasschleuse, in der – so die Theorie – etwaige kontaminierte Personen vom Giftgas gereinigt worden wären.

Blick in die Gasschleuse im Bunker, mit einer Schaufensterpuppe, die einen Gasschutzanzug und eine Gasmaske trägt. Aufschrift an der Wand: Rauchen verboten. Ruhe bewahren. Schleuse.
In der Gasschleuse sollten etwaige durch Giftgas kontaminierte Personen gereinigt werden.

Ein Blick in das Sanitätszimmer zeigt kleine Gasmasken für Kinder und sogar ein Gasschutz-Bettchen für Neugeborene. Giftgas war allerdings bekanntlich bei den Luftangriffen eher kein Thema. Es ist auch fraglich, ob all diese Maßnahmen im Ernstfall wirklich geholfen hätten. Das Sanitätszimmer erzählt aber andere interessante Geschichten, denn hier hielten sich während der Angriffe vor allem schwangere Frauen auf. Nicht wenige Kinder sind hier zur Welt gekommen.

Eine Baby-Puppe liegt in einem Gasschutz-Bettchen für Säuglinge im Bunker-Sanitätsraum.
Gasschutz-Bettchen für Säuglinge im Sanitätsraum

Auch eine bescheidende Küche und natürlich Sanitäranlagen sind im Bunker zu finden. „In dieser Küche konnte man sicher keine aufwändigen Mahlzeiten zubereiten“, sagt Vivien. „Aber um eine einfache Suppe oder ähnliches zu kochen, reichte die Ausstattung auf jeden Fall.“

Ein Tisch mit zwei Emaille-Waschschüsseln und einigen historischen Küchenutensilien aus dem Zweiten Weltkrieg und einigen Lebensmitteln - die Küche im Bunker.
Eine einfache Küche gab es auch im Bunker.

Die Ausstellung zum Luftschutz zeigt auch einen nachgebauten Hausluftschutzraum, denn die wenigsten Menschen konnten bei Fliegeralarm in einen öffentlichen Bunker. Die allermeisten harrten in den Kellern ihrer Wohnhäuser aus. Interessant dabei ist, dass der Einbau von Luftschutzräumen bereits 1935 vorgeschrieben wurde. Wohnst du in einem Altbau? Dann schau dich doch bei Gelegenheit mal im Keller um. Vielleicht findest du dort noch Spuren, z. B. verstärkte Wände oder einen inzwischen zugemauerten Notdurchbruch, der ins Nachbarhaus führt. Mein Wohnhaus ist von 1938 und hier sind sogar noch die originalen stählernen Bunkertüren erhalten. Auch der ehemalige Durchbruch zum Nachbarhaus ist noch erkennbar.

Wohnen im Luftschutzbunker

In der Ausstellung erfährt man auch einen spannenden Aspekt des Bunkers, der zumindest mir bislang nicht bekannt war: Manche Menschen lebten wirklich dauerhaft hier. Einige qua Amt, einige freiwillig. Der Bunker war also niemals leer während des Krieges. Der Bunkerwart hatte nicht nur seine Dienststube im Bunker, sondern wohnte dauerhaft hier. Auch Luftschutzhelfer – zum Teil waren das minderjährige Jungen, die in der Hitlerjugend dienten – hielten sich immer im Bunker auf. So weit, so logisch. Aber auch Zivilisten wohnten im Bunker. Wer auf Nummer sicher gehen wollte, konnte sich im Bunker ein Zimmer mit Bett zu mieten und hier die Nächte zu verbringen. Später wurden auch Ausgebombte im Bunker untergebracht. Bei Fliegeralarm genossen sie freilich keine angenehmeren Umstände als die übrigen Schutzsuchenden. In diesem Fall wurden die Menschen nämlich auch in die vermieteten Räume gepfercht.

Zwei Schaufensterpuppen mit Uniformen eines Bunkerwarts und eines Luftschutzhelfers im Bunker. Beide tragen Stahlhelme.
Der Bunkerwart und die Luftschutzhelfer hielten sich immer im Bunker auf.

In der Ausstellung im Untergeschoss kann man nicht nur erleben, wie sich so ein Bunker angefühlt hat und wie er ausgesehen hat. Sie behandelt auch allgemein die Themen Luftkrieg, Kriegsalltag und Luftschutz während des Zweiten Weltkriegs. Auch eine echte britische Fliegerbombe ist hier ausgestellt und natürlich auch Flugblätter, die von den Alliierten über Nazi-Deutschland abgeworfen wurden. Kurzfilme, die früher in der Wochenschau im Kino gezeigt wurden, vermittelten den Menschen das richtige Verhalten bei einem Angriff, Tipps zur Bergung von Verletzten, Erste Hilfe, usw. Auch diese Filme kann man im Bunker sehen. In der Vitrinen-Ausstellung kann man auch anschaulich die verheerende Wirkung der Bombenangriffe nachvollziehen.

„Normalerweise bestand so ein Angriff aus zwei Phasen“, erklärt Bunker-Mitarbeiter Jens. „In der ersten Phase wurden Sprengbomben abgeworfen, die die Häuserdächer entfernten. In der zweiten Phase folgten dann Brandbomben, die eine verheerende Wirkung hatten.“ Insbesondere die Phosphor-Bomben waren gefürchtet. Denn brennender Phosphor ist kaum zu löschen und er wird so heiß, dass von einem Menschen praktisch nichts mehr übrigbleibt.

Luftangriffe veränderten Städte für immer

Wie solche Angriffe auch das Gesicht einer Stadt vollkommen wandeln können, dafür ist Hagen – wie viele Städte in der ehemaligen Schwerindustrie-Region Ruhrgebiet – ein prägnantes Beispiel. Ohne der Stadt und ihren Bewohnern zu nahe treten zu wollen: Doch wer heute als auswärtiger Besucher ohne Lokalpatriotismus durch die Innenstadt läuft, kann wirklich nur schwer glauben, dass diese doch sehr graue und verbaute Stadt einst „die Perle Südwestfalens“ genannt wurde. Vorkriegsaufnahmen aus Hagen in der Ausstellung zeigen dagegen eine völlig andere Stadt mit schönen Jugendstilgebäuden und stilvoller Architektur.

Ein Kunststoff-Pferdekopf mit einer Gasmaske für Pferde in einer Vitrine
Neben all den ernsten Dingen sind auch einige Kuriositäten ausgestellt, zum Beispiel diese Gasmaske für Pferde.

Die Ausstellung konzentriert sich aber nicht allein auf Deutschland. Und obwohl sie die Schrecknisse für die Bevölkerung während des Luftkriegs anschaulich vermittelt, wird trotzdem deutlich, wer für diesen Krieg verantwortlich war. Die NS-Propaganda und ihre Wirkung finden ebenso ihren ausgiebigen Platz im Ausstellungskonzept wie auch die deutschen Luftangriffe, z. B. auf englische Städte. Nicht nur Bomber, sondern auch die unbemannten Raketen V1 und V2 spielten hier im späteren Kriegsverlauf eine große Rolle und terrorisierten die englische Zivilbevölkerung.

Die Spitze einer V2-Rakete
Die Spitze einer V2-Rakete

Never forget: Nazi-Deutschland hat den Krieg begonnen. Und englische Städte lagen genauso in Schutt und Asche wie deutsche. Die deutsche Luftwaffe zerstörte die Stadt Coventry so gründlich, dass sich im Nazi-Jargon der Begriff „coventrieren“ als Synonym für „eine Stadt ausradieren“ etablierte. Das Leid der deutschen Zivilbevölkerung soll aber dennoch nicht bagatellisiert werden und das tut die Ausstellung auch nicht.

Bastelset für Kinder mit den Nazi-Größen.
Die Briten warfen nicht nur Bomben, sondern auch Flugblätter und andere Materialien, die z. B. Nazi-Größen lächerlich machten, ab. Wie etwa dieses Bastelset.

Der Nachkriegs-Bunker

Alleine das Untergeschoss wäre schon den Besuch im Bunker wert, doch wenn man hier durch ist, hat man noch lange nicht alles gesehen. Denn die Geschichte des Bunkers ist mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht vorbei. Ein paar Treppen nach oben gestiegen und plötzlich steht man vor einer Hotelrezeption. Bin ich im falschen Film? Keineswegs. Denn dieses Stockwerk widmet sich der Nachkriegsnutzung des Bunkers. Tatsächlich gab es hier nach dem Krieg ein Hotel.

Und das ist nicht alles. Unter anderem ein Friseursalon richtete sich hier ein, sogar zwei Fahrschulen und ein Jazzclub, der es zu großem Renommee brachte und auch Stars des Genres anzog. „Wer in der Szene etwas auf sich hielt, kam Ende der 50er, Anfang der 60er in diesen Jazzclub“, berichtet Vivien.

Blick in den Jazzclub: Ein Klavier, Saxofon und andere Instrumente
Einen kleinen Nachbau des renommierten Jazzclubs findet man auch.

Dass der Bunker nach dem Krieg ein so intensives zweites Leben erfuhr, verdankt er einem eigentlich absurden Umstand. Er besitzt nämlich eine Heizungsanlage. „Eine Heizung in einen Bunker einzubauen ist ein richtiger Schildbürgerstreich“, unterstreicht Jens. „Wenn 3.000 Personen hier Unterschlupf suchen, dann braucht man sicher alles, aber keine Heizung.“ Doch nach dem Krieg entwickelte sich aus diesem eigentlichen Unsinn ein Vorteil, erklärt er weiter: „Die Hagener Innenstadt war 1945 zu 99,7 Prozent zerstört. Das heißt, außer dem Bunker stand hier quasi nichts mehr. Und hier hatte man einen Ort, der trocken war und zudem beheizt werden konnte. Also wurde er nach dem Krieg weitergenutzt.“

Hitlers Einmarsch ins Kinderzimmer

Nach dem Einblick in die Nachkriegszeit kann man noch eine weitere Treppe nach oben steigen. Die Ausstellung, die im obersten Geschoss auf die Besucher wartet, hat es dann echt noch einmal in sich. Die Ausstellung „Hitlers Einmarsch ins Kinderzimmer“ ist ein einzigartiges Spielzeugmuseum, das die ganze Perfidität der NS-Diktatur wie unter einem Brennglas zeigt. Wie viel Wert die Nazis auf Außenwirkung und Propaganda legten, habe ich zuvor ja auch schon im Artikel zum Reichsparteitagsgelände beschrieben.

Christbaumkugeln in Form eines Torpedos mit Hakenkreuz und des Kopfes von Adolf Hitler
Auch für die entsprechende Weihnachtsbaum-Deko war gesorgt.

Es ist bekannt, dass die NS-Diktatur großen Augenmerk auf die Indoktrination des Nachwuchses legte. Die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend war ab 1939 für alle Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und achtzehn Jahren Pflicht. Jungen und Mädchen wurden in den Jugendorganisationen auf ihre jeweiligen Aufgaben im Erwachsenenleben vorbereitet: Soldat werden auf der einen Seite, und möglichst viele zukünftige Soldaten gebären auf der anderen. Doch diese Ausstellung zeigt, dass die Indoktrinierung viel weiter ging und auch abseits offizieller Institutionen lief, alleine schon durch die Gestaltung des Spielzeugs.

In der Ausstellung findet man unzählige Brettspiele mit klangvollen Namen wie „Bomben auf England“ oder „Stoßkampfspiel Bunka“, die Krieg simulieren und die NS-Ideologie spielerisch vermitteln. Auch einzigartiges Objekt, eine Art Mensch-ärgere-dich-nicht im NS-Style, oder Kartenspiele wie „Führer-Quartett“ sind hier ausgestellt. Manche Spiele sollten die Kinder auch hinsichtlich des richtigen Verhaltens im Ernstfall trainieren, wie etwa ein Spiel mit dem Namen „Marsch in den Luftschutzraum“.

So ähnlich wie Mensch-ärgere-dich-nicht – nur etwas anders…

Natürlich finden sich auch Modelle von Raketen, Spielzeugpanzern und -soldaten. Auch Kinder- und Jugendliteratur ist Teil der Ausstellung. Es gab Zeitschriften für jede Altersklasse, die ihre jungen Leser in die gewünschte Richtung beeinflusste. Kinderbücher, die bunt und lustig illustriert übelste antisemitische Hetze vermitteln, lösen dann wirklich schon etwas Brechreiz beim Betrachter aus.

Richtig widerlich sind auch die kleinen Klotz-Puzzles mit Kriegsmotiven und Holz-Modelle von Haubitzen zum Zusammenbauen, die sich eindeutig an Kleinkinder richten. Schon die Allerkleinsten wurden also mit dem entsprechenden Spielzeug in die gewünschte Richtung gelenkt.

Auffällig ist, dass ein Großteil des hier ausgestellten Spielzeugs Jungen adressierte. Bunker-Mitarbeiterin Vivien: „Für Mädchen gab es damals generell nicht so viel Spielzeug, abgesehen von Puppen oder vielleicht ein bisschen was zum Malen oder Ausschneiden. Sie waren oft schon in sehr jungen Jahren in den Haushalt und die Versorgung der kleineren Geschwister eingebunden. Sie hatten also auch häufig weniger Zeit zum Spielen als die Jungen. Mädchen wurden auch innerhalb der Familie früh auf ihre zukünftige Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. So haben es uns Zeitzeuginnen auch berichtet.“

Doch natürlich lasen auch die Mädchen die Kinderbücher und spielten bestimmt auch mit einigen der Brettspiele. Es gab auch Zeitschriften und Bücher für Mädchen. Sie wurden sicher nicht weniger indoktriniert als ihre männlichen Altersgenossen. Die Spielzeug-Ausstellung jedenfalls lässt viele Besucher genau wie das Kriegsmuseum mit einem sehr beklommenen Gefühl zurück.

Kartenspiel aus der NS-Zeit mit dem Titel "Führer-Quartett".
Führer-Quartett – wahrscheinlich für Mädchen und Jungen interessant

Fazit

Das Museum wurde mit viel persönlichem Engagement und Liebe zum Detail aufgebaut. Das spürt man, wenn man durch die Ausstellungen geht. Neben der reinen Wissensvermittlung geht es hier darum, dass die Besucher wirklich spüren, wie es sich angefühlt hat, wenn der Krieg zu einem nach Hause kam. Diesen Effekt kann man noch verstärken, denn der Bunker bietet verschiedene Führungen an. Darunter ist auch eine, bei der man mit Fliegeralarm in den Bunker kommt und das Untergeschoss im Dunkeln nur im Schein einer Dynamo-Taschenlampe erkundet. Die Betreiber des Bunkers wollen dies auf keinen Fall als Effekthascherei verstanden wissen. Es geht ihnen um das Erleben des Schreckens, den ein Krieg gerade auch bei der Zivilbevölkerung verursacht.

Die Besucher sollen ein leises Gefühl dafür bekommen, wie sich Krieg anfühlt, wenn man ihm als Zivilist schutzlos ausgeliefert ist. Der Bunker und das Team dahinter stehen zu der Botschaft, die draußen groß an der Fassade prangt – auch mit Taten. So wurden hier zum Beispiel mehrere Transporte von Hilfsgütern für Zivilisten in die Ukraine organisiert.

Schriftzug "Nie wieder Krieg" an der Außenwand des Bunkers.
Dieser Schriftzug wird im Bunker gelebt und steht hinter dem Engagement des Teams.

Es ist möglich, den Bunker auf eigene Faust zu erkunden, aber ganz ehrlich, Leute: Es lohnt sich definitiv für alle drei Ausstellungen, ein paar Euro mehr auszugeben und eine Führung zu buchen. Zum Beispiel die historische Führung, die etwa 90 Minuten dauert. Denn die Mitarbeiter des Bunkers erzählen sehr viele interessante Hintergrundgeschichten und auch Geschichten rund um die Exponate, die man durch die Ausstellungen alleine nicht erfahren würde.

Eine Erkundung auf eigene Faust würde ich dir auf jeden Fall nur empfehlen, wenn du dich bereits sehr gut mit der Thematik auskennst und nun einfach mal schauen willst, wie so ein Bunker ausgesehen hat. So oder so: Ein Besuch des Bunkers Hagen ist absolut empfehlenswert.

Video-Bericht zum Bunker Hagen

Von sylvia1985

Liebt Geschichte und das Reisen. Aber auch Literatur, Fußball, Gaming und Heavy Metal. Und fragt sich seit Jahren, warum es eigentlich keine Wikinger-Emojis gibt.

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