Reetgedecktes Holz- Langhaus aus der Jungsteinzeit im Archäologischen Freilichtmuseum OerlinghausenIn der Jungsteinzeit änderte sich die Siedlungsweise der Menschen fundamental: Die Menschen wurden sesshaft und die Bauten waren auf Langlebigkeit ausgelegt.

Treffen sich ein Eiszeitjäger, eine jungsteinzeitliche Bäuerin und ein frühmittelalterlicher Schmied. Was nach dem Anfang eines Witzes klingt, ist im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen tatsächlich möglich. Hier wird Ur- und Frühgeschichte lebendig. Die Ausstellung führt uns von der Altsteinzeit ins Frühmittelalter und zeigt uns, wie sich die Lebens- und Wirtschaftsweise unserer Vorfahren mit den Jahrtausenden änderte. Ergänzt wird der Rundgang vor allem an den Wochenenden auch durch Living-History-Vorführungen.

Du willst nicht nur gucken, sondern willst gerne selbst ausprobieren, wie man Dinge in der Frühzeit hergestellt hat? Auch das ist im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen möglich. Steinzeitschmuck oder steinzeitliche Speerschleudern basteln, historisches Bogenschießen oder Schmieden für Kinder – dies ist nur eine Auswahl aus den zahlreichen museumspädagogischen Angeboten des Museums für Kinder und Erwachsene.

Holzhäuser im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Blick von hinten auf das “Germanengehöft”

Doch der Reihe nach: Das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen liegt in Ost-Westfalen im Kreis Lippe und damit in einer historisch und archäologisch bedeutsamen Region. Auch wenn die Varusschlacht wohl nicht im Teutoburger Wald stattgefunden hat, hat die ganze Region neben einer herrlichen Landschaft und gut ausgebauten Wanderwegen auch für den geneigten Geschichts-Nerd einiges zu bieten. Das AFM Oerlinghausen hat dabei selbst eine lange Geschichte, denn es geht auf das älteste germanische Freilichtmuseum der Welt zurück.

Bohlenweg, der zu einem eisenzeitlichen Stallgebäude führt im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen

Doch was gibt es hier zu sehen? Und wie lebten die Menschen denn nun in prähistorischer Zeit? Dieser Artikel verrät es dir – und zum Schluss habe ich auch noch einen Tipp zur Planung deines Besuchs. Lies also unbedingt bis zum Schluss!

Altsteinzeit: Eiszeitliche Jäger

Vom Eingangsgebäude des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen gehen wir eine Treppe hinauf. Unter einer Glaskuppel findet sich am Start des Rundgangs ein interessantes Modell. Es zeigt in mehreren Schritten, wie aus einem archäologischen Befund schließlich ein nachgebautes Gebäude im Freilichtmuseum wird. Dies gibt auch einen ersten Hinweis auf das, was uns auf dem Rundgang erwartet. Die ausgestellten Gebäude entsprechen in ihrem Grundriss und ihrer Struktur größtenteils realen archäologischen Befunden.

Glaskugel mit Modellen von prähistorischen Gebäuden im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Wie wird aus einem archäologischen Befund ein Objekt im Museum? Dieses Modell zeigt die Schritte.

Der Rundgang startet dort, wo auch der Mensch zum ersten Mal seinen Fußabdruck auf der Erde hinterlassen hat: in der Altsteinzeit. Hier steht ein Zelt aus schräg gestellten Holzstangen und einer Zeltwand aus gegerbtem Leder. Optisch erinnert es an die Tipis, wie sie zum Beispiel bei einigen Stämmen der Ureinwohner Nordamerikas gebräuchlich waren. Vor dem Zelt ist eine kleine Feuerstelle aufgebaut und ein Geweih liegt im Zelteingang. Dies ist eine Behausung, wie sie von eiszeitlichen Rentierjägern benutzt wurde – vor allem in den kurzen Sommern, wenn sie den großen Wildtieren folgten und jagten. Die Tiere wiederum dienten nicht nur als Nahrungsquelle, sondern alles vom Tier wurde verarbeitet. Alles, was nicht essbar war, benutzten die Menschen als Rohstoff und Werkstoff für Gegenstände, wie etwa Kleidung, Nadeln oder eben auch Zeltleinwand.

Altsteinzeitliches Tipi mit Lederwand im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
In solchen Zelten, die ein wenig an Tipis erinnern, übernachteten eiszeitliche Rentierjäger.

Ich finde, hier lohnt es sich bereits, einmal kurz innezuhalten und sich Folgendes klarzumachen: Die Altsteinzeit – auch Paläolithikum genannt – dauerte von etwa 2,5 Millionen v. Chr. bis zum Ende der letzten großen Eiszeit um etwa 10.000 v. Chr. Den ersten Menschen der Gattung Homo sapiens gab es vor ungefähr 300.000 Jahren. Das ist eine unvorstellbar lange Zeitspanne. Dass ich gerade an einem Computer sitze und diese Worte digital eintippen kann, ist nicht einmal ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Dass wir überhaupt Schrift erfunden haben und Dinge aufschreiben können – das ist im Verhältnis ungefähr erst seit einer Millisekunde der Fall. Die weitaus meiste Zeit in unserer Geschichte waren wir mobile Jäger und Sammler.

An der altsteinzeitlichen Station im AFM Oerlinghausen sind wir auch schon ganz am Ende der Altsteinzeit, nämlich in der späten Eiszeit, angekommen. Das Museum legt großen Wert darauf, nicht nur die für die Zeit Behausungen und Gebäude darzustellen, sondern auch die typische Vegetation wiederzugeben und somit das ganze Ökosystem abzubilden, in dem die Menschen lebten und wirtschafteten. Die späte Eiszeit in Mitteleuropa muss man sich als eine recht karge, kalte Tundra-Landschaft vorstellen – jedoch nicht so karg wie die heutige Tundra, z. B. in Sibirien. Pflanzen wie Zwergbirken und Wacholder vermitteln einen Eindruck.

Mittelsteinzeit: Mobile Leichtbauweise

Die nächste Station im Rundgang führt uns in die Mittelsteinzeit, auch Mesolithikum genannt. In Mitteleuropa ist das eine kurze Epoche (ca. 9500-5500 v. Chr.), die häufig als Übergangszeit zwischen den Wildbeutern und den sesshaften Bauern der Jungsteinzeit dargestellt wird. Das Klima in dieser Zeit hatte sich stark verändert. Die Eiszeit war vorüber, die Menschen lebten in einer Warmzeit. Dadurch entstanden eine andere Flora und Fauna, die vormals karge Steppe entwickelte sich zu einer üppigen Waldlandschaft.

Doch auch die Menschen im Mesolithikum waren noch Jäger und Sammler und hatten eine nomadische Lebensweise. Davon zeugen auch die beiden im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen dargestellten Hütten. Sie bestehen aus einer Stangenkonstruktion, die entweder mit Reet oder mit Baumrinde verkleidet wurde. Man kann auch hineingehen – ganz schön klein, wenn man bedenkt, dass hier drin wahrscheinlich ganze Familien geschlafen haben. Aber eine mobile Bauweise erlaubte natürlich keine großen Bauten und das Leben fand anders als heute sowieso vor allem im Freien statt. Beide Hüttentypen sind leicht und konnten schnell ab- und wieder aufgebaut werden, wenn die Menschen weiterzogen.

Blick aus der Reethütte auf die Birkenrindenhütte im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Das Museum bietet zwei Varianten desselben Grundrisses an: Reet und Birkenrinde.

Das Museum bietet hier zwei Varianten an, die auf demselben archäologischen Befund basieren. Dies gibt vor allem Besuchern ohne fachwissenschaftlichen Hintergrund auch die Möglichkeit, etwas über die Arbeitsweise der Archäologie zu lernen. Denn es ist nicht so einfach, Häuser zu rekonstruieren. Zwar sagt man in der Archäologie auch scherzhaft: „Nichts ist so dauerhaft wie ein Loch im Boden.“ Und tatsächlich bleiben Strukturen im Boden, die etwa durch Pfostenlöcher entstehen, unter Umständen für Jahrtausende erhalten. Dadurch kann man den Grundriss und die grundsätzliche Struktur von menschlichen Bauten meist gut rekonstruieren.

Dreieckige Reethütte im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen

Schwieriger wird es für alle schriftlosen Kulturen aber, wenn es um die Rekonstruktion der Aufbauten geht. Wie sahen die Wände aus, welche Form hatte das Dach? Wenn es keine Schriftzeugnisse gibt, stützen sich die Rekonstruktionen und Modelle zum Beispiel auf Vergleiche (es gibt ja zum Beispiel auch heute noch Wildbeuter-Kulturen auf der Welt, die mehr oder weniger steinzeitlich leben), auf das Wissen, welche Handwerkstechniken und Werkzeuge es schon gab, welche Materialien vor Ort zur Verfügung standen usw. Auf diesem spannenden Forschungsfeld ist vor allem die Experimentelle Archäologie unterwegs.

Birkenrindenhütte mit halbrundem Dach im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Die Variante mit Birkenrinde: Hat die Hütte so ausgesehen?

Jungsteinzeit: Die größte Revolution der Geschichte

Der Weg führt uns nun weiter durch eine Art Palisade aus Holzbohlen und direkt hinein in die wohl größte Revolution der Menschheitsgeschichte. In der Jungsteinzeit, auch Neolithikum genannt, stellen die Menschen ihre Lebensweise radikal um. Sie fangen an, Feldfrüchte zu kultivieren und anzubauen, domestizieren und züchten Tiere und werden sesshaft. Aus den Jägern und Sammlern werden Bauern und Hirten. Die Entwicklung beginnt um das Jahr 10.000 oder 9.000 v. Chr. im Nahen Osten, und etwa um 5.000. V. Chr. schwappt diese Lebensweise auch nach Mitteleuropa rüber und setzt sich durch.

Reetgedecktes Holz-Langhaus im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Das Jungsteinzeit-Haus: Die Menschen begannen sesshaft zu werden und stabile und dauerhafte Behausungen zu erbauen.

Im AFM Oerlinghausen ist ein großes jungsteinzeitliches Langhaus ausgestellt. Die stabile Bauweise aus Holz macht deutlich, dass dieser Bau nun auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Im Gebäude riecht es ein wenig nach Rauch. Der Geruch kommt von der stetig vor sich hin glimmenden Feuerstelle in der Mitte des Gebäudes. Die Inneneinrichtung des Gebäudes ist karg und so war es wohl auch damals. In diesem großen Gebäude wurde nicht nur geschlafen, sondern auch gearbeitet. Steine mit Vertiefungen für die Museumspädagogik geben einen Eindruck der veränderten Aufgaben mit der Jungsteinzeit. Das zuvor geerntete Getreide mussten die Menschen in mühevoller Knochenarbeit zu Mehl mahlen.

Glut in einer runden Feuerstelle, die mit großen Steinen eingefasst ist im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Die glimmende Feuerstelle verbreitet einen leichten Rauchgeruch im Gebäude.

Überhaupt muss man festhalten: Für den Mensch als Spezies war die sesshafte Lebensweise ein Erfolgsmodell und eine Grundlage dafür, dass er sich zahlenmäßig überhaupt so ausbreiten konnte. Denn durch Ackerbau und Viehzucht kann man viel mehr Menschen ernähren als Wildbeutertum. Für den einzelnen Menschen wurde das Leben dadurch aber nicht unbedingt angenehmer. Auch wenn das Leben als Wildbeuter sicher kein Erholungsurlaub war, doch Landwirtschaft war damals anstrengende und zeitraubende Knochenarbeit.

Große Steine mit Vertiefung, in denen kleine Steine zum Mahlen von Getreide liegen, im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Eine mühevolle Arbeit: Mit solchen Mahlsteinen wurde in der Steinzeit Getreide gemahlen.

Mit der Jungsteinzeit lassen sich auch erstmals Zivilisationskrankheiten nachweisen, etwa Zahnprobleme. Diese entstanden zum Beispiel durch die oft einseitige, sehr getreidelastige Ernährung oder auch durch die Reste von Gesteinsmehl im Brot, die sich beim Mahlen von den Steinen ablösten. Dennoch setzte sich diese Lebensweise durch und wird heute von den allermeisten Menschen weltweit praktiziert.

Buchtipp: Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari

Der Historiker Yuval Noah Harari gibt einen sehr kurzweiligen, spannenden Überblick über die Menschheitsgeschichte und stellt dabei auch das Narrativ von der Menschheitsgeschichte als Prozess des ewigen Fortschritts ein wenig in Frage. Wirklich toll und fesselnd geschrieben und auch für Nicht-Historiker und Nicht-Archäologen gut verständlich.

Das „Germanengehöft“: Vorgeschichte und Ideologie

Folgt man dem Weg weiter, gelangt man zum „Germanengehöft“ – absichtlich in Anführungsstrichen geschrieben. An dieser Stelle muss unbedingt ein ganz kleiner Exkurs in die Geschichte des Museums sein. Wie schon erwähnt, wurde das Museum als ältestes germanisches Freilichtmuseum der Welt errichtet – und zwar im Jahr 1936.

Blick von unten in den Giebel eines mit Reet gedeckten Daches im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen

Du ahnst vermutlich angesichts der Jahreszahl schon, was jetzt kommt und warum dieser Teil des Museums eine problematische Geschichte hat. In dieser Zeit herrschte in Deutschland die NS-Diktatur. Und die Nazis standen (und stehen auch heute noch) auf Vorgeschichte. Insbesondere die Germanen wurden immer wieder instrumentalisiert und in der NS-Zeit quasi als direkte Vorfahren der „arischen Herrenrasse“ dargestellt. Wehrhaft, stolz, stets bereit sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, ein edles, freiheitsliebendes Volk, frei von der Dekadenz der Hochkulturen des Mittelmeers wie der Römer. So in etwa kann man sich das idealisierte Bild der Germanen vorstellen, wie es sowohl die damaligen als auch die modernen Nazis gerne sehen. Und in diese Richtung ging dann auch lange Zeit die Vermittlung im als „Germanengehöft“ eröffneten Freilichtmuseum.

Holzbohlenhaus und zwei kleine Fachwerkhäuser im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Blick auf das “Germanengehöft”: Hier soll ein Dokumentationszentrum entstehen, das die frühe Geschichte des Museums in der NS-Zeit aufarbeitet.

Geplant hatte man es es eigentlich sogar mit fachwissenschaftlichem Anspruch auf Basis des damaligen Forschungsstandes. Dazu setzte das Museum auf eine Mitmach-Pädagogik, die durchaus ein moderner Ansatz war. Dies war aber verknüpft mit einer starken Ideologisierung der Inhalte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände zunächst verkauft und abgebaut, doch im Jahr 1961 wurde es wiederaufgebaut – und zwar als exakte Kopie des Vorgängers und mit ähnlichem ideologischem Pathos. Lediglich auf die Hakenkreuze verzichtete man dankenswerterweise.

1973 brannte die ganze Anlage ab, bevor sie 1979 unter dem neuen Namen Archäologisches Freilichtmuseum Oerlinghausen wiedereröffnet wurde. Und diesmal auch mit einem neuen Ansatz: lebendige Geschichte mit wissenschaftlichem Hintergrund auf Basis realer Fundplätze und ohne „überzeitlichen Pathos“, wie es Museumsdirektor Karl Banghard in einer „Zeitzeichen“-Sendung des WDR formulierte. Wenn du mehr zur Geschichte des Museums erfahren möchtest, schau mal auf der Website des AFM Oerlinghausen, dort gibt es einen ausführlichen Artikel.

Die Gebäude des früheren „Germanengehöfts“ hat man stehen lassen, als „eindrucksvolle Belege einer anderen Geschichte“, wie es auf einem Schild heißt. Das AFM Oerlinghausen setzt sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinander. Daher soll hier in den nächsten Jahren auch ein modernes Dokumentationszentrum zur Geschichte des Museums in der NS-Zeit entstehen. In dem soll es dann eine Gegenüberstellung der damaligen Ausstellung mit dem tatsächlichen Bild auf Basis des aktuellen Forschungsstandes geben.

Schaufensterpuppen mit steinzeitlicher Kleidung im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
In der Ausstellung zur Kleidung in der Prähistorie gibt es diese Modelle. Sie beruhen auf realen Funden, zum Beispiel der Fadenrock der Frau in der Mitte.

In den alten Gebäuden befinden sich heute eine nachgebaute Backstube und zwei interessante Ausstellungen: zum Thema Drogenkonsum in der Vorgeschichte und zur Entwicklung der Kleidung und Kleiderherstellung. Nebenan befindet sich ein Ziegenstall mit einer großen Weide, wo während der Saison auch Ziegen leben.

Längliche Bierkrüge aus Ton mit Spitze im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Diese altägyptischen Bierkrüge sind in Ausstellung zum Drogenkonsum zu besichtigen. Zum Absetzen waren die Krüge wohl eher nicht gedacht…

Bronzezeit und Eisenzeit: Freilichtmuseum Oerlinghausen im Wandel

Ein Freilichtmuseum ist auch ständigem Wandel unterworfen. Denn einmal nagt der Zahn der Zeit an den Gebäuden, und zum anderen ändert sich auch der Forschungsstand in der Archäologie mit neuen Funden und Methodiken immer mal wieder.

Bauzaun mit einer Baustelle dahinter im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Im Moment noch Baustelle: Hier entsteht das neue eisenzeitliche Langhaus.

Auch das AFM Oerlinghausen ist im Wandel. Das alte jungsteinzeitliche Haus soll in nächster Zeit durch einen Neubau ersetzt werden, das frühere bronzezeitliche Wohnstallhaus wurde bereits abgebaut.

An Stelle der früheren Bronzezeit-Abteilung, von der aktuell noch eine Totenhütte als Symbol für bronzezeitliche Begräbnissitten und eine Bronzeschmiede zu sehen sind, entsteht gerade eine neue eisenzeitliche Abteilung. Das neue Stallgebäude steht bereits, das neue eisenzeitliche Langhaus befand sich bei meinem Besuch gerade in einer sehr frühen Bauphase.

Nebenan befindet sich das Schweine-Gehege, in dem bei meinem Besuch zwei sehr zufrieden aussehende Schwäbisch-Haller Landschweine mit den Nasen im Boden wühlten und grunzten. Kein Wunder, denn hier haben sie viel Platz zum Suhlen und Buddeln. Hier finden während der Saison alte Schweinerassen ein Zuhause.

Schweine in einem Gehege im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Im Museum gibt es auch einige tierische Bewohner – so wie diese glücklichen Schweine.

Geht man nun weiter Richtung Frühmittelalter-Abteilung, erhebt sich linker Hand auf einem Hügel eine Teilrekonstruktion einer imposanten eisenzeitlichen Befestigung, mit der die Bewohner ihre Siedlungen vor Angreifern schützten.

Frühmittelalter: Bauern in der Merowingerzeit

Der letzte Teil der Ausstellung führt uns in die Merowingerzeit, also in das europäische Frühmittelalter, nach dem damaligen Herrschaftsgeschlecht der Merowinger benannt. Hier ist ein Gehöft zu sehen, wie es im frühen 8. Jahrhundert n. Chr. typisch war. Das imposante Hauptgebäude ist ein schiffsförmiges Hallenhaus.

Schiffsförmiges Hallenhaus aus dem Frühmittelalter im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Das schiffsförmige Hallenhaus aus der Merowingerzeit – repräsentative Prunkhalle oder Wohnstallhaus?

Es ist nicht ganz sicher, ob dieses als normales Wohnstallhaus genutzt wurde, wie sie in Mitteleuropa über viele Jahrhunderte üblich waren, oder ob das Hallenhaus eher eine repräsentative Stätte war, die vor allem für Feiern benutzt wurde. Vergleiche zu den „großen Häuptlingshallen“ im Skandinavien der Wikingerzeit, die ja ebenfalls in das Frühmittelalter fällt, drängen sich auf. Für die Feier-Theorie gibt es Beschreibungen, für die Nutzung als Wohnstallhäuser finden sich aber auch archäologische Zeugnisse.

Grubenhaus mit weiß blühendem Busch daneben im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Nicht nur hübsch, sondern auch nützlich: In solchen Grubenhäusern befanden sich häufig Werkstätten, z. B. Webstühle.

Zum Frühmittelalter-Gehöft gehört auch ein sogenanntes Grubenhaus. Das waren kleine, halb in den Boden eingetiefte Gebäude, in denen es auch im Sommer recht kühl und dunkel war, da der Hauptraum unter der Erde lag. Wahrscheinlich wurden diese aber selten bewohnt, sondern wurde wahrscheinlich als Werkstatt oder zur Textilproduktion genutzt.

Ein Hocker und ein schmaler Tisch in einem Grubenhaus im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Blick ins Innere des Grubenhauses: Hier wurde eher gearbeitet und nicht gewohnt.

Gleich gegenüber befindet sich eine voll ausgestattete frühmittelalterliche Schmiede inklusive Rennofen. Diese ist funktionsfähig und wird auch im Rahmen des museumspädagogischen Angebots häufig benutzt.

Außerdem gibt es hier einen einzäunten Garten mit Beeten, in denen alte Gemüsesorten und Kräuter wachsen. Viele Kräuter, die damals als Heilkräuter bekannt und geschätzt waren, sind heute in Vergessenheit geraten, bzw. werden gerade wiederentdeckt.

Living History, Museumspädagogik und Events im Freilichtmuseum Oerlinghausen

Theoretisch kann man sich anhand der Texttafeln und eines Audioguides das Museum auch im Alleingang erschließen – das habe ich auch gemacht. Doch das Museum hat in Sachen „Geschichte erleben“ wirklich einiges Tolles zu bieten. Es gibt immer wieder Auftritte von Living-History-Gruppen, die kenntnisreich und in authentischer Gewandung das alltägliche Leben zum Beispiel im Frühmittelalter-Bereich für Besucher vorführen und erlebbar machen.

Eingezäunte Kräuterbeete im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Historischer Kräuter- und Gemüsegarten in der Frühmittelalter-Abteilung des AFM.

Außerdem gibt es ein umfassendes museumspädagogisches Angebot für verschiedene Zielgruppen, sowohl für Kinder als auch Erwachsene. Dabei setzt die Vermittlung sogar schon bei den ganz Kleinen an, es gibt Angebote, die sich sogar schon an Kindergarten-Kinder ab 3 Jahren richten. Schmuck basteln, Bogenschießen, Schmieden und vieles mehr – hier ist für alle Interessen was dabei. Eine Vielzahl von Führungen bietet das Museum ebenfalls an, sowohl normale historische Führungen als auch besondere Führungen zu speziellen Themenschwerpunkten wie Familienleben, Heilkräuter oder auch Mitmachführungen. Es gibt verschiedene Führungen und Angebote, die man im Vorfeld buchen muss, aber auch vor allem an den Wochenenden auch viele offene Angebote, zu denen man einfach ohne Anmeldung kommen kann.

Darüber hinaus finden über das Jahr manchmal große Veranstaltungen statt, wie „Brot und Spiele“, bei denen dann z. B. auch Gladiatorengruppen auftreten oder die beliebten Wikingertage.

Fazit

Wäre das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen ein Computerspiel, dann würde man sagen: „Es hat einen hohen Wiederspielwert.“ Übertragen kann man sagen: Der Wiederbesuchswert dieses Museums ist hoch, denn selbst wenn man die normale Ausstellung kennt, ist es verlockend wiederzukommen. Nicht nur aufgrund der zahlreichen Angebote und Events, sondern auch, weil in der Dauerausstellung in nächster Zeit eine ganze Menge passieren wird.

Blick ins Innere eines frühmittelalterlichen Hallenhauses, Bänke und eine Feuerstelle, im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Eine Feuerstelle im Frühmittelalterhaus lädt zum Verweilen ein. Hier finden auch viele museumspädagogische Angebote statt und Living-History-Gruppen bieten Vorführungen.

Es ist auf jeden Fall auch möglich, das Museum in Eigenregie zu besichtigen, auch wenn es mit einer Führung bestimmt noch viel interessanter ist. Wenn man allein durchgeht und keine großen Vorkenntnisse in der Ur- und Frühgeschichte hat (Asterix-Comics gelesen zu haben, zählt nicht!), würde ich empfehlen, zumindest einen Audioguide mitzunehmen.

Für eine Solo- Besichtigung aller Gebäude im Rundgang, ohne irgendwelche museumspädagogischen Angebote oder Events drumherum, braucht man etwa eine gute Stunde, wenn man sich Zeit lässt und alle Texttafeln liest. Das Museum ist also im Vergleich zu anderen Freilichtmuseen eher klein, das sollte man als Besucher wissen, vor allem, wenn man von weiter her anreist. Bei Google sind vereinzelt Rezensionen zu lesen, die das bemängeln.

Geschnitzter Holzstamm mit einem Gesicht im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Ob dies einer der Götter war, die über die Menschen wachten?

Daher mein Tipp für dich: Wenn du von weiter herkommst und das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen besuchen möchtest, dann verbinde deinen Besuch mit ein oder zwei weiteren Programmpunkten! In der Nähe und mit dem Auto gut erreichbar befinden sich zum Beispiel das Hermannsdenkmal und die Externsteine. Auch die Stadt Detmold ist nicht weit weg, dort gibt es zum Beispiel das Lippische Landesmuseum, das LWL-Freilichtmuseum Detmold oder die Ruine der Falkenburg zu besichtigen.

Aus Ästen geflochtener Zaun im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen

Der Teutoburger Wald ist außerdem ein beliebtes Wandergebiet mit zahlreichen gut beschilderten und gepflegten Wanderwegen. Wenn du also gerne wanderst, dann bietet es sich auch an, deinen Besuch im Museum mit einer Wanderung in dieser wunderschönen Region zu verknüpfen. Auch die hat übrigens einen hohen Wiederbesuchswert!

Ich hoffe, der Artikel hat dir Lust gemacht, einen Ausflug in die Ur- und Frühgeschichte zu unternehmen! Warst du schon einmal im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen? Oder hast du weitere Tipps für spannende ur- und frühgeschichtliche Museen? Schreib es mir gerne in die Kommentare!

Und wenn du weitere Artikel über Freilichtmuseen lesen möchtest, schau gerne mal in die Beitragskategorie “Freilichtmuseum“.

Von sylvia1985

Liebt Geschichte und das Reisen. Aber auch Literatur, Fußball, Gaming und Heavy Metal. Und fragt sich seit Jahren, warum es eigentlich keine Wikinger-Emojis gibt.

5 Gedanken zu „Archäologisches Freilichtmuseum Oerlinghausen: Wie lebten Menschen in prähistorischer Zeit?“
  1. Wie bisher alle Deine Artikel, liebe Sylvia, ist auch dieser von seiner Anschaulichkeit überaus präsent und macht Lust, sich auf die Spuren dieser Geschichte zu begeben.

  2. Das ist wieder ein schönes Bollwerk! Anschaulich und akribisch recherchiert, mit tollen Fotos als wäre man dort zugegen…

  3. Eine faszinierende Reise über die Lebensformen der Menschen im Wandel der Zeiten. Wie mühsam das Leben der Menschen war, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Dieses Museum ist mit Sicherheit einen Besuch wert. Danke auch für den Buchtipp, der schon notiert ist.

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